Puigdemont verhaftet
Ex-Regierungschef von Katalonien stellt sich in Brüssel
Während zahllose Menschen am frühen Sonntag die Plätze in Katalonien füllten, um anschließend gemeinsam plakatieren zu gehen, haben sich der katalanische Regierungschef und vier seiner Minister freiwillig zur belgischen Bundespolizei in Brüssel begeben. Begleitet wurden Carles Puigdemont, Antoni Comín, Clara Ponsatí, Lluís Puig und Meritxell Serret von ihren Anwälten. Sie reagierten damit auf den europäischen Haftbefehl, den die Richterin Carmen Lamela am spanischen Nationalen Gerichtshof zuvor ausgestellt hatte.
Stets hatte Puigdemont erklärt, mit der »wahren Justiz« zusammenarbeiten zu wollen. Er sieht sich nicht als »Flüchtiger«, wie Madrid behauptet, erwartet in Spanien aber kein faires Verfahren und hofft deshalb, dass Belgien den Auslieferungsantrag ablehnt. Die fünf Betroffenen wurden zunächst festgesetzt; ihnen wurden aber keine Handschellen angelegt, weil sie keine Gefahr darstellen, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Am Nachmittag wurden sie dann von einem Ermittlungsrichter vernommen. Bis Redaktionsschluss gab es keine Entscheidung. Der Richter muss bis neun Uhr am Montag entscheiden, ob sie inhaftiert werden oder freigelassen werden und ob das unter Auflagen geschieht.
Während sich in Brüssel die fünf Regierungsmitglieder in Polizeigewahrsam begaben, wurden in Katalonien Zehntausende Plakate verteilt und danach gemeinschaftlich angebracht, um »Freiheit für die politischen Gefangenen« zu fordern. Nach der Inhaftierung von acht Ministern der katalanischen Regierung vergangene Woche durch den Nationalen Gerichtshof begeht Katalonien nun eine »Woche für die Freiheit«. Damit sollen die bisher zehn Gefangenen freibekommen werden. Der erste Höhepunkt dabei: ein Generalstreik am Mittwoch. Am Tag darauf könnte sich die Gefangenenzahl um weitere sechs erhöhen. Dann werden die Mitglieder des katalanischen Parlamentspräsidiums vor dem Obersten Gerichtshof ebenfalls wegen »Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung« von Steuergeldern vernommen, die für das Referendum am 1. Oktober verwendet wurden. Das hatte Madrid für illegal erklärt. Anders als Lamela räumte der Oberste Gerichtshof ihren Verteidigern aber eine Woche Zeit ein, um sich auf die komplexen Vorwürfe vorbereiten zu können.
Angesichts der Vorgänge in Brüssel denken die Katalanische Nationalversammlung (ANC) und Òmnium Cultural über eine Großdemonstration in der belgischen Hauptstadt, in der auch die EU-Kommission ihren Sitz hat, nach. Mindestens 100 000 Menschen sollen mobilisiert werden. Ohnehin sprengen die Proteste immer stärker den katalanischen Rahmen. Am Samstag haben beinahe 50 000 Menschen im baskischen Bilbao ihre Solidarität gezeigt. Auch strömender Regen und Kälte konnte die Basken nicht davon abhalten, die Katalanen zu unterstützen und zugleich das eigene Selbstbestimmungsrecht zu fordern. Am Sonntag fanden erneut in 13 baskischen Gemeinden auf Initiative der Organisation »Gure esku dago« (Es liegt in unserer Hand) Abstimmungen über die Unabhängigkeit von Spanien statt. So hatte der Prozess auch in Katalonien begonnen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.