Grenzen des Sagbaren

Geert Wilders wollte nach Molenbeek reisen - um zu provozieren

  • May Naomi Blank, Nimwegen
  • Lesedauer: 3 Min.

Molenbeek-Saint-Jean liegt im Großraum Brüssel und ist die zweitärmste Gemeinde Belgiens mit einer Jugendarbeitslosigkeit von über 40 Prozent und einem hohen Anteil an Einwanderern. In den letzten Jahrzehnten hat Molenbeek traurige Berühmtheit erlangt, da immer wieder Spuren von Terroranschlägen in den Brüsseler Vorort führten. Mehdi Nemmouche, der Attentäter, der 2014 im Jüdischen Museum in Brüssel um sich schoss, wohnte in Molenbeek. Ebenso Abdelhamid Abaaoud, der mutmaßliche Drahtzieher hinter den Anschlägen in Paris vom November 2015. Auch nach dem Attentat auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo im Januar 2015 wurden die mutmaßlichen Tatwaffen in einer Molenbeeker Wohnung gefunden.

Seitdem gilt der Vorort als Brutstätte des Terrors, auch wenn bekannte Persönlichkeiten, wie der Schriftsteller Dyab Abou Jahjah, immer wieder betont haben, dass die kleine, radikalisierte Minderheit nicht in Zusammenhang mit der restlichen muslimischen Gemeinde gestellt werden dürfe.

Ausgerechnet in dieser Kommune wollte am vergangenen Freitag der niederländische Rechtspolitiker Geert Wilders zusammen mit dem Vorsitzenden des rechten Vlaams Belang, Filip Dewenter, eine »Islam-Safari« veranstalten, inklusive Besuch der größten Moschee Brüssels. Die Gemeinden Molenbeek und Brüssel sprachen ein Verbot aus. »Wir wollen nicht, dass Herr Wilders seine rassistische Hassbotschaft auf Brüsseler Grundgebiet verbreitet«, unterstrich der Bürgermeister von Brüssel, Philipe Close. Wilders twitterte daraufhin: »Kapitulationsschreiben. Parlamentarier verboten. Islam und Terror erlaubt. Molenbeek Islamstaat«, was prompt in den Medien aufgegriffen wurde.

Das ist typisch für die Strategie des niederländischen Rechtspolitikers, der zur Zeit wieder wegen Gruppendiskriminierung und Volksverhetzung vor Gericht steht. 2010 und 2011 wurde er, nach der Veröffentlichung des Anti-Islamfilms Fitna, freigesprochen. Er beleidige keine Personen, sondern eine Religion, was unter die Meinungsfreiheit falle, so die damalige Argumentation des Richters.

Als Wilders jedoch 2014 bei einer Wahlparty seine Unterstützer fragte: »Wollt ihr mehr oder weniger Marokkaner?«, und auf die »Weniger«-Rufe der Menge antwortete: »Das werden wir regeln«, wurde er wegen Gruppendiskriminierung und Anstiftung zur Diskriminierung verurteilt, nicht jedoch wegen Volksverhetzung. Bert Wagendorp, Kolumnist bei »de Volkskrant« nannte den Prozess von 2016 eine Win-win-Situation für Wilders. Ein Freispruch nutze dem Rechtspopulisten, bei einer Verurteilung stelle er sich als » Märtyrer des freien Wortes« dar, »der vom Establishment, der Elite oder liberalen Richtern mundtot gemacht wurde«.

Am 24. Oktober wurde der Prozess wieder aufgenommen, da sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft in Berufung gegen gegangen waren. Im Gerichtsprozess wie auch im Fall Molenbeek ist der Ausgangspunkt eine rhetorische Provokation, die ausländerfeindlich oder islamophob ist, wobei pauschal über »den Islam« oder »die Marokkaner« geurteilt wird. Dabei wählt Wilders geschickt eine Sprache, die provoziert und es in die Schlagzeilen schafft. Anschließend inszeniert er sich als Verfechter der Meinungsfreiheit.

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