- Politik
- 100 Jahre Russische Revolution
EU-Parlament verbietet Ausstellung zur Oktoberrevolution
Antrag der portugiesischen Kommunisten wurde abgelehnt / Fraktionsvorsitzende Zimmer beklagt weiteren Fall in der »Geschichte verbotener Ausstellungen«
Über 5000 Menschen arbeiten im Europäischen Parlament in Brüssel – auf den langen Korridoren zwischen Sitzungsräumen, Büros und Plenarsälen in fünf Häusern ist viel Platz. Immer wieder zeigen die verschiedenen Fraktionen und ihre Mitglieder dort auch Ausstellungen zu politischen Themen. Die Konföderale Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordischen Grünen Linken (GUE/NGL) etwa hat so in der Vergangenheit über die Lage der Roma oder die Krise in Griechenland informiert. Konservative Parlamentarier bevorzugen weniger schwere Themen aus ihrer Heimatregion, Landwirtschaft in Sizilien etwa. Doch offenbar ist nicht genug Platz für 15 Tafeln einer Ausstellung zur Oktoberrevolution.
Die portugiesischen Kommunisten der Partido Comunista Português (PCP) hatten die Präsentation zum 100. Jahrestag der Oktoberrevolution entworfen und beantragt. »Schon im Juli« habe man dies »vorschriftsmäßig« bei den Quästoren – die Mitglieder des Präsidiums des Europäischen Parlaments (EP), die mit Verwaltungs- und Finanzaufgaben betraut sind, –angefragt, beschwert sich João Ferreira von der PCP. Doch erst letzte Woche hätten diese geantwortet, »nach mehrmaligem Nachfragen«. Die Ausstellung sei abgelehnt, teilte die Verwaltung mit, sie sei »aufstachelnd« und unakzeptabel für die Mehrheit der Abgeordneten und auch für die Besucher des Parlaments, meint Ferreira.
Am Mittwoch wurde die Ausstellung trotzdem gezeigt, in Sitzungsraum ASP Altiero Spinelli 1G2, während der Fraktionssitzung der GUE/NGL. Die Entscheidung der Verwaltung sei »inakzeptabel und antidemokratisch«, empört sich LINKE-Politikerin Gabi Zimmer, die die Fraktionssitzung leitet. Es gebe eine »Geschichte verbotener Ausstellungen« im Europaparlament, immer wieder seien Ausstellungen der Kollegen in den letzten Jahren von der Verwaltung nicht genehmigt worden. Zuletzt die eines griechischen Abgeordneten der GUE/NGL über politische Cartoons, doch auch eine von ihr selbst entworfene Ausstellung über Armut in Polen habe keine Erlaubnis bekommen. »Man kann unterschiedlicher Meinung über die Folgen der russischen Revolution sein, aber es ist ein bedeutendes geschichtliches Ereignis, dessen Kontext man kennen muss«, sagt Zimmer.
In der Ausstellung der portugiesischen Kommunisten wird dieser Kontext gezeigt. Also die Transformation der russischen Gesellschaft und ihre Modernisierung und die neuen sozialen Rechte nach der Revolution. Die Zerschlagung der Sowjets, die Repression gegen politische Gegner und Massenüberwachung der Gesellschaft durch die Bolschewiki hingegen werden in der Ausstellung nicht erwähnt. Stattdessen würdigt sie die Zerschlagung des Faschismus durch die Rote Armee und dass die UDSSR ihre »militärische Macht immer genutzt habe, um dem Frieden zu dienen und Menschen von Kolonialismus und Imperialismus zu befreien«. Andere Überschriften lauten »Die Menschheit braucht den Sozialismus« und »Ein sozialistisches Projekt für Portugal«.
Die portugiesischen Kommunisten seien eben »orthodox«, witzelt eine Mitarbeiterin über die Kollegen. »Gegen die unverstandenen portugiesischen Weltretter bin ich ein reformistisches Weichei«, frotzelt sie. Trotzdem müsste das EU-Parlament auch solche Positionen zulassen, meint sie. Man müsse »über die geschichtliche Rolle Lenins und der Russischen Revolution reden können, auch wenn die Meinungen sehr unterschiedlich sind«, sagt derweil GUE/NGL-Fraktionsvorsitzende Zimmer, bevor sie die Wortmeldungen mehrerer Abgeordneter linker Parteien ablehnt: »Wir haben heute keine Zeit für eine inhaltliche Debatte, wir haben jetzt gleich nur zwei Stunden für die Debatte über Rechtspopulismus in Europa«. Sie wolle aber Fälle sammeln, um gegen die Ausstellungsverbote vorzugehen, die offizielle Protestnote an die Quästoren sei bereits verschickt, nun gehe es weiter in der Tagesordnung.
Transparenz-Hinweis: Dieser Artikel wurde gefördert durch die Übernahme von Reisekosten und Unterbringung durch die GUE/NGL Fraktion.
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