Sechste Runde und kein Ende in Sicht
In Brüssel werden die Brexit Verhandlungen fortgesetzt
»UK verlässt die EU. Es ist jetzt höchste Zeit, die wesentlichen Prinzipien eines geordneten Austritts zu klären«, ließ der Chefunterhändler der EU, Michel Barnier, am Donnerstagmittag via Twitter wissen. Da saß er selbst noch nicht in Verhandlungen. Erst am Freitag treffen Barnier und sein britisches Pendant, Brexit-Minister David Davis, aufeinander für eine »Zwischenbilanz«. Am Donnerstag kamen erst einmal die Expertengruppen zusammen, um in wesentlichen Fragen voranzukommen. Diese sind aus Sicht der EU: Zahlungen Großbritanniens für gemeinsam eingegangene Verpflichtungen, Garantien für EU-Bürger auf der Insel und die Klärung der irisch-nordirischen Grenzfrage.
Seit Juni schon laufen die Verhandlungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union über den »Brexit«, der im März 2019 vollzogen werden soll. Ein substanzielles Vorankommen gibt es seither in den genannten Fragen nicht. Die EU macht das aber zur Voraussetzung dafür, in die zweite Phase der Gespräche einzutreten, in der die künftigen Beziehungen, zum Beispiel ein Freihandelsabkommen, Thema sein sollen. Dass es soweit noch nicht ist, haben im Oktober die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel festgehalten. Dort war allerdings die Rede davon, dass bis Mitte Dezember die zweite Phase der Gespräche eingeläutet werden könnte - sollte es bis dahin Bewegung geben. Am Mittwoch, also noch vor der Brexit-Verhandlungsrunde, kamen die EU-Botschafter dann zu einem »Brainstorming« in Brüssel zusammen, um - ohne britische Beteiligung - über ihre Vorstellungen einer Post-Brexit-Beziehung zu London zu sprechen.
Die britische Regierung hätte indes von Beginn an gerne Austrittsmodalitäten und Zukunft parallel verhandelt. Sie ist aber derzeit alles andere als in der Position, der EU die Bedingungen für die Verhandlungen diktieren zu können. Geschwächt von den Neuwahlen im Juni, aus denen eine von der nordirischen DUP gestützte Tory-Minderheitsregierung hervorging, sowie von zwei Ministerrücktritten in nur einer Woche, ist Premierministerin Theresa May kaum fähig, in Brexit-Fragen eine Linie zu finden.
Dabei wächst der Druck im Land, Brexit-Versprechen einzulösen. So forderte am Mittwoch der Chef des britischen Gesundheitssystems NHS, Simon Stevens, die Umsetzung eines der Hauptversprechen der Brexit-Befürworter: Diese hatten gesagt, die wöchentliche Überweisung von 350 Millionen Pfund an die EU solle besser ins staatliche Gesundheitssystem fließen. Die Aussage habe zwar nicht auf dem Stimmzettel des Volksentscheids vom 23. Juni 2016 gestanden, wohl aber auf dem Kampagnenbus der Brexit-Befürworter, sagte Stevens auf einer Konferenz in Birmingham. Das »Vertrauen in demokratische Politik« werde nicht gestärkt, so Stevens, wenn diese Aussage jetzt nicht erfüllt werde.
Stürmische Zeiten drohen Theresa May auch im britischen Unterhaus: Am kommenden Dienstag beginnen dort die Debatten über das Gesetz zum Rückzug Großbritanniens aus der EU. Mit Agenturen Kommentar Seite 4
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