- Politik
- Arm trotz Arbeit
Fast jeder zehnte Beschäftigte armutsgefährdet
Anstieg um 3,5 Prozent seit 2006 / Risiko bei Teilzeit- und befristet Beschäftigten besonders hoch
Berlin. Die Armutsgefährdung von Beschäftigten in Deutschland ist in den vergangenen zehn Jahren deutlich angestiegen, zuletzt aber etwas gesunken. Aktuell ist fast jeder zehnte Erwerbstätige armutsgefährdet. Das geht aus aktuellen Daten des Europäischen Statistikamts Eurostat hervor, auf die die Linksfraktion im Bundestag aufmerksam gemacht hat.
Waren im Jahr 2006 noch 5,5 Prozent der Erwerbstätigen von Armut bedroht, sind es im vergangenen Jahr 9,5 Prozent gewesen. Im Jahr davor waren es 9,7, 2014 noch 9,9 Prozent.
Als armutsgefährdet gilt, wer einschließlich staatlicher Transfers weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens erzielt. Bereits im Sommer hatte die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung in einer Studie auf das verbreitete Armutsrisiko auch unter Beschäftigten hingewiesen. Die Studienautoren kamen zu dem Fazit, dass der Zusammenhang zwischen Beschäftigungswachstum und Armut komplizierter als gemeinhin angenommen sei.
Ein Hintergrund ist, dass das Beschäftigungswachstum in Deutschland auch auf dem Anwachsen der Teilzeitstellen und anderer atypischer Beschäftigungsverhältnisse beruht. Laut Eurostat ist bei Teilzeit- und befristet Beschäftigten das Armutsrisiko deutlich höher. Im vergangenen Jahr waren 15,2 Prozent der Teilzeitbeschäftigten von Armut bedroht. Bei befristet Beschäftigten liegt die Armutsgefährdung bei 20,5 Prozent.
Auch innerhalb dieser Gruppen lag die Armutsgefährdung allerdings vor Jahren noch niedriger, bei Menschen mit Befristungen etwa 2005 erst bei 8,6 Prozent. Und auch bei Vollzeitbeschäftigten stieg die Armutsgefährdung in Deutschland von 3,5 Prozent im Jahr 2005 auf 6,5 Prozent in 2016.
Die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Sabine Zimmermann, hatte auf die Trends aufmerksam gemacht. »Nach wie vor sind viel zu viele Menschen in Deutschland arm trotz Arbeit«, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Der Mindestlohn müsse erhöht, Leiharbeit und sachgrundlose Befristungen sollten abgeschafft werden. dpa/nd
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!