Leben, ein Boxkampf
Aya Cissoko über Migranten aus Mali in Paris
Bekannt geworden ist die 1978 geborene Aya Cissoko als Boxerin, als Europa- und Weltmeisterin zuletzt im Jahr 2006. 2011 veröffentlichte sie ihre Autobiografie »Danbé«, was in ihrer malischen Herkunftskultur so viel wie Würde meint. Nun ist sie unter dem Titel »Ma« auf Deutsch erschienen, erzählt die Autorin doch vom Leben ihrer Mutter. Zwar wird das Buch als Roman verkauft, aber eigentlich ist es eine erzählerische Hommage sowie eine Kulturreflexion.
Im Grunde nimmt Cissoko die mütterliche Biografie zum Anlass, um über zumindest drei interkulturelle Themen zu schreiben. Zum einen geht es sowohl um die Selbstbestimmung einer Witwe in der hierarchisch-patriarchalen Gesellschaft der Bambara, einer Volksgruppe in Mali, als auch um die Selbstbehauptung dieser alleinerziehenden Mutter in der Migrantenwelt von Paris, wo sie ihren Kindern ein besseres Leben und den Verwandten in Afrika zusätzlich Unterstützung und Hilfe geben will.
Zum anderen wird von der Selbstfindung einer jungen Afrikanerin erzählt, die in Paris als Französin geboren wird und sich zwischen der ethischen Regelwelt ihrer Eltern aus Mali und den Normen und Codes des französischen Alltagslebens zurechtfinden muss.
Dass das nicht einfach ist und Spuren in der Psyche der Erzählerin Aya hinterlässt, ist offenkundig - doch wie tief diese Irritationen gehen, lotet die Autorin in ihrem Buch nicht aus. Schließlich geht es Cissoko nicht um ein Selbstporträt, sondern darum, zu zeigen, wie sich ein Individuum im Geflecht verschiedener und durchaus nicht gleichlautender gesellschaftlicher Erwartungshaltungen zurechtfinden und durchsetzen muss.
Die Mutter zerbricht daran letztlich körperlich. Die Tochter sucht, wen wundert’s, lange Zeit im Boxen Durchschlagkraft und Anerkennung. Schließlich findet Aya ihre Mitte, was dem Buch freilich kein versöhnliches, aber doch ein hoffnungsvolles Ende gibt.
Und es zeigt in der augenblicklichen Debatte um Zuwanderung, dass es immer um Menschen und menschliche Normen geht, nie nur um Personen, die man abstrakt Migranten nennt.
Aya Cissoko: Ma. Roman. Aus dem Französischen von Beate Thill. Wunderhorn Verlag, 189 S., geb., 24,80 €.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!