Zarte Ansätze
Beschäftigte von Amazon und Foodora entwickeln transnationale Vernetzung
»Foodora, we have had enough«, skandierten etwa 30 Menschen vor einigen Tagen vor der Zentrale des Lieferdienstes in Berlin. Mit der Kundgebung unterstützten sie Beschäftigte der Firma, die sich in der »Deliverunion« zusammengeschlossen haben, um für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Die Verhandlungen über einen Tarifvertrag mit Foodora haben bisher zu keinem Ergebnis geführt. In dem Zusammenschluss, der vor einigen Monaten von der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiterunion (FAU) gegründet wurde, sind Fahrradkuriere aus verschiedenen europäischen Ländern vertreten, darunter Italien und Großbritannien. Der Erfahrungsaustausch läuft größtenteils über Internet. Doch nun trafen sich ca. 80 Basisgewerkschafter aus sieben europäischen Ländern in Berlin. Es war die mittlerweile fünfte Konferenz der Transnational Social Strike Platform. Nach dem ersten Treffen in Poznan gab es weitere in Paris, London und Ljubljana.
Seit Längerem läuft über die Plattform eine kontroverse Debatte über einen europäischen Mindestlohn und ein europaweites Grundeinkommen. So kritisierte ein Arbeiter der besetzten griechischen Fabrik Viome in Berlin ein Grundeinkommen als »neoliberales Instrument zur Stilllegung von Arbeitskämpfen«. Andere Delegierte verteidigten die Forderung bei dem Treffen, weil es dabei um ein Recht auf ein gutes Leben unabhängig von der Erwerbstätigkeit gehe.
Auf dem Treffen wurde auch kritisch gefragt, welche Bedeutung die Streik-Plattform für die gewerkschaftliche Organisierung über Ländergrenzen hinweg hat. Schließlich gab es in den letzten 20 Jahren schon einige vergebliche Ansätze, die Kämpfe von Beschäftigten und Prekären auf europäischer Ebene zu organisieren. Erinnert sei an die Euromärsche gegen Erwerbslosigkeit und Prekarisierung, an die Euromayday-Bewegung, in der sich von Italien ausgehend Prekäre rund um den 1. Mai unabhängig von den großen Gewerkschaften Gehör verschafften und dann wieder von der Bildfläche verschwanden. Auch während der Krisenproteste 2012 und 2013 gab es einen neuen Diskussionszusammenhang, der sich über einen europäischen Generalstreik Gedanken machte, einen Aufruf verfasste und eine Webseite einrichtete. Auch er verschwand wieder in der Versenkung. Wird es mit der Streik-Plattform ähnlich sein? Man werde jedenfalls nur eine Perspektive haben, wenn man aus diesen Erfahrungen lerne und sich auf konkrete Kämpfe beziehe, so die Meinung in Berlin. Kämpfe wie etwa in der Logistikbranche, wo in verschiedenen Ländern Arbeitskämpfe laufen.
Aus Slowenien und Norditalien kamen Unterstützer nach Berlin. Dort stellte sich auch die Kampagne »Make Amazon Pay« vor, die wie die »Deliverunion« ein Beispiel dafür ist, dass eine transnationale Vernetzung in Ansätzen gelingen kann. Wenn die Beschäftigten an deutschen Amazon-Standorten streiken, treten die Kollegen im polnischen Poznan inzwischen in einen Bummelstreik, statt sich zu Streikbrechern machen zu lassen.
Außerbetriebliche linke Gruppen wollen in der kommenden Woche mit mehreren Aktionen die Forderung der Amazon-Beschäftigten nach besseren Arbeitsbedingungen unterstützen. Höhepunkt soll der »Black Friday« sein, wenn Amazon mit besonders günstigen Schnäppchen das Weihnachtsgeschäft einläuten wird. Linke Aktivisten wollen an diesem Tag ein Verteilzentrum in der Berliner Innenstadt blockieren. Auch in anderen Ländern sind Aktionen geplant.
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