»Mein Jihad für die Liebe«

Peter Schütt

  • Michael Baade
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit Friedrich Rückert ist wohl kaum ein deutscher Dichter so tief in den Orient gereist wie Peter Schütt. Angeregt von Tschingis Aitmatow und Rady Fish, hatte der gläubige Kommunist in seinen drei Sowjetunion-Reportagen vor allem die mittelasiatischen Republiken beschrieben. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR bekannte er sich 1991 öffentlich zum Islam. 1996 unternahm er eine Pilgerfahrt nach Mekka und veröffentlichte sein Bekenntnisbuch »Von Basbeck am Moor über Moskau nach Mekka«. Er war zweimal mit iranischen Frauen verheiratet, kennt vor allem Iran aus eigenem Erleben und setzt sich heute als Sprecher der deutschsprachigen islamischen Gemeinde in der Blauen Moschee an der Hamburger Alster für den interreligiösen Dialog zwischen Muslimen, Christen und Juden ein.

Aus diesem Reichtum an Lebenserfahrungen schöpft der 77-Jährige in seinem scheinbar aus der Zeit gefallenen lyrischen Alterswerk. Zwei Jahre nach »Peterchens Mondfahrt. Hundert Gedichte aus fünfzig Jahren« - der Titel verweist auf den ersten Lehrmeister des Autors, auf Bertolt Brecht - errichtet Peter Schütt für seine aus »Kannitverstan« (gemeint ist Pakistan) stammende, fast gleichaltrige Geliebte ein poetisches Taj Mahal aus 60 westöstlichen Liebesgedichten: »Altweibersommernachtstraum«. Seinen mal innigen und mal flammenden Versen fügt der religiöse Sozialist und Pazifist ein streitbares Nachwort hinzu: »Mein Jihad für die Liebe«, in dem er voller Leidenschaft mit den salafistischen Liebestötern in den muslimischen Kernländern, aber auch in den hiesigen Moscheegemeinden ins Gericht geht - ein Beitrag zur aktuellen Integrationsdebatte, der mehr Einfühlungsvermögen in fremde Kulturen zeigt, als so manche theoretische Abhandlung.

Als »gelehrter Dichter« spart Schütt nicht mit Anspielungen auf deutsche Dichter, die ihm auf dem Seelenflug in den Osten vorausgeflogen sind, auf Claudius, Klopstock, Goethe, Heine, Rückert, Rilke und Brecht. Aber mehr noch bezieht er sich auf die Altmeister der orientalischen Liebesdichtung, auf Rumi, Hafez und Nizami. Er steigert sich selbst in die Rolle des liebestollen Madschnun hinein, der für seine Laila durchs Feuer geht. Seine am häufigsten zitierte Quelle ist der Koran, den er erotisch, mystisch und kosmisch als Lehrbuch zur Menschen- und Gottesliebe deutet. Mit frommer List und mit Spürsinn für die Mehrdeutigkeit von Sinnbildern und Metaphern gelingt es ihm, die Gottesliebe mit der sinnlichen Liebe in Einklang zu bringen. Peter Schütts zwölfter Lyrikband ist mit auf den Text bezogenen arabischen Kalligrafien von Ahmed Kreusch illustriert. Fünf seiner Gedichte sind von erfahrenen Übersetzern ins Arabische, Persische, Türkische, Indonesische und Urdu übertragen worden und stehen im Buch neben dem Original. Sie unterstreichen den Wunsch des Autors, auch in der islamisch geprägten Welt Gehör zu finden.

Peter Schütt: Altweibersommernachtstraum. Westöstliche Liebesgedichte. Mit Kalligrafien von Ahmed Kreusch. Theorie & Praxis Verlag, 186 S., br., 18 €.

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