Jeder Arbeitsplatz hat ein Gesicht

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Gegen Gespräche hätte Birgit Steinborn gar nichts einzuwenden, nur sie will damit erst beginnen, »wenn es ein klares Signal vom Vorstand gibt, dass er zu Kompromissen bereit ist«. Das Unternehmen hat, so sehen es die Siemens-Arbeiter, genug Spielräume, um Investitionen und Qualifizierung zu bezahlen. Gerade erst hat der Konzern stolz einen Rekordgewinn von 6,9 Milliarden für 2016 präsentiert. Siemens-Chef Joe Kaeser wird an diesem Morgen mehrfach daran erinnert, dass es die Beschäftigten sind, die seinem Konzern und den Aktionären die Rekordgewinne einbringen. »Wir ernähren die Manager des Landes, nicht umgekehrt«, stellt Betriebsrat Savic klar.

Die Siemens-Arbeiter sind empört über die Pläne, aber auch über die Kaltschnäuzigkeit, mit der »von oben« über ihre Existenz gerichtet wird. Der Abbau wurde beschlossen, ohne die Betriebsräte vorher zu konsultieren. Sie haben davon wie die Beschäftigten aus den Medien erfahren, selbst der örtliche Bankfilialleiter wusste es früher. Die Belegschaften wurden später per E-Mail oder Videobotschaft informiert.

Wie bei Kidnappern, bei denen man versucht, Empathie für ihre Opfer zu wecken, betonen die Redner immer wieder, dass jeder Arbeitsplatz ein Gesicht hat. Thomas Clauß, Betriebsrat im Leipziger Siemenswerk, redet dem Siemens-Chef ins Gewissen: »Sie nennen sie Vollzeitäquivalente. Doch Sie entscheiden über Menschen!« Das Wort stammt aus dem Personalmanagement, es tauche bei Siemens aber auch auf Folien auf, die Beschäftigten vorgelegt werden, sagt Clauß.

Politiker, insbesondere aus den betroffenen Regionen, haben sich in den vergangenen Tagen hinter den Kampf der Siemens-Beschäftigten gestellt. In Berlin steht am Donnerstag der Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning, auf der Bühne, der den Regierenden Bürgermeister vertritt, auch SPD-Chef Martin Schulz in roter IG-Metall-Weste wird ihnen von der Bühne Mut zusprechen, zahlreiche LINKEN-Politiker stehen unten unter den Demonstranten. Partei-Chef Bernd Riexinger und die Berliner Arbeitssenatorin Elke Breitenbach gehören dazu. Ostdeutsche Landeswirtschaftsminister haben den Siemens-Vorstand zu einem Gespräch über den geplanten Stellenabbau eingeladen. Auch hier herrscht Unverständnis. Im Thüringer Wirtschaftsministerium wird eine »Task Force Siemens« eingerichtet, die Verhandlungen mit dem Unternehmen und dem Betriebsrat begleiten soll. Die Beschäftigten begrüßen sämtliche Versuche, den Vorstand in die Pflicht zu nehmen - »wenn es nicht um Profilierung, sondern um die Sache geht«. Klar ist aber auch, direkt stoppen kann die Politik die Pläne der Konzernleitung nicht.

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