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Kein AfD-Bürgermeister in Lebus
Beim zweiten Anlauf von Detlev Frye erschienen zu wenig Stadtverordnete
»Ich habe nicht die Absicht, vor diesem Termin die Wahl eines stellvertretenden Bürgermeisters auf die Tagesordnung zu setzen. Das wird alles ganz normal laufen - eine vernünftige, pragmatische Lösung«, erklärt Naumann. Die gut 40 interessierten Bürger verlassen das Kulturhaus, wie sie es betreten haben, ohne besonderen Eifer. Der Polizeiwagen fährt vom Hof.
Der zweite Versuch, einen Vizebürgermeister zu wählen, war notwendig geworden, nachdem die vor zwei Wochen erfolgte Wahl von Detlev Frye (AfD) für ungültig erklärt worden war. Grund war das Fehlen dieses Punktes auf der veröffentlichten Tagesordnung des Stadtparlaments. Damit war gegen einen in der brandenburgischen Kommunalverfassung festgeschriebenen Grundsatz der Öffentlichkeit verstoßen worden. Ohne diesen Formfehler wäre Detlev Frye - er war der einziger Kandidat für den Posten des ehrenamtlichen Vizebürgermeisters - das erste Stadtoberhaupt der AfD im Land Brandenburg geworden. Denn da die Bürgermeisterin und ihre Stellvertreterin zurückgetreten waren, wäre Frye als neuer Stellvertreter amtierender Bürgermeister gewesen.
Bis in die Landesspitzen zuckten die Parteien zusammen, als sich herausstellte, dass in geheimer Wahl neben dem einem CDU-Stadtverordneten in Lebus auch zwei Parteilose von der Liste der Linkspartei vermutlich für Frye gestimmt hatten. Der LINKE-Landesvorstand forderte die beiden Stadtverordneten auf, ihre Mandate niederzulegen, die Kreisvorsitzende Bettina Fortunato äußerte »Zorn und Unverständnis«.
Der Parlamentsälteste Naumann winkt ab: »Es geht hier nicht um Parteipolitik. Die Basis dafür ist gar nicht gegeben.« Im Stadtparlament von Lebus hat kaum jemand eine Parteimitgliedskarte. »Der Medienrummel ist unverhältnismäßig. Wir sind eine kleine Stadt in Ostbrandenburg. Ein AfD-Kandidat bewirbt sich um das Amt, an dem sonst kein Interesse besteht. Das soll ein Dammbruch sein? Der ist doch längst erfolgt. Die AfD sitzt im Bundestag, in Landtagen, Kreisen und Städten«, sagt Naumann.
Im Vorfeld hatte CDU-Landeschef Ingo Senftleben geraten, die Angelegenheit nicht so hoch zu hängen. Natürlich findet er es nicht richtig, wenn es eine CDU-Stimme für einen AfD-Bewerber gibt. Doch Stadtverordnete opfern für ihr kommunalpolitisches Engagement ihre Freizeit. In Lebus habe es eine schwierige Lage gegeben. Da müssten Berufspolitiker vorsichtig mit Kritik sein, meinte Senftleben.
Die fehlende Präsenz der Parteien macht den Stadtverordneten das Leben nicht leichter. Die Fraktion, der Nauman und Frye angehören, besteht aus Bürgerallianz, CDU und AfD, aus fünf Freizeitpolitikern, die fast jedem ihrer Wähler in der etwa 3000 Einwohner zählenden Stadt schon persönlich begegnet sind.
»Die Parteien müssten einfach besser werden«, klagt Naumann. »Aber sie sind nicht selbstkritisch, sondern dreschen los.« Persönlich habe niemand von der CDU sich bei ihm gemeldet, aber wenn die CDU-Kreischefin Kristy Augustin jetzt fordere, ihre Parteimitglieder müssten verantwortungsbewusst entscheiden, könne er gut darauf verzichten. Genauso wie auf die Bemerkung der LINKE-Kreisvorsitzenden Bettina Fortunato, dass rote Linien nicht überschritten werden dürften. »Wir brauchen den erhobenen Zeigefinger nicht. Wir sind Ehrenamtler, und unsere roten Linien ziehen wir selber«, sagt Naumann. Holocaustleugnung, offener Extremismus, das wären für ihn solche Linien. Doch dergleichen scheint er von Detlev Frye nicht zu fürchten. Naumann rechnet damit, dass sich im Februar weitere Kandidaten bewerben werden.
Frye erzählt von seinen Schafen, Hühnern und Enten. Er sei nach seiner Westberliner Politikkarriere von der Schüler-Union bis zur CDU aufs Land gezogen und 2014 zur AfD gekommen, als der Ökonomieprofessor Bernd Lucke dort noch den Kurs bestimmte. »Wir feilschen hier in der Stadtverordnetenversammlung um dreistellige Eurobeträge, während für Euro- und Bankenrettung dreistellige Milliardenbeträge geflossen sind. Damit war ich nicht einverstanden«, sagt Frye. Er arbeitet nicht mehr als Pressesprecher der AfD-Landtagsfraktion, sondern als Wahlkreismitarbeiter, sitzt im Kreistag Märkisch-Oderland und im Stadtparlament von Lebus. Natürlich will er sich für die Bürgermeisterwahl im Februar bewerben. Er habe den ersten AfD-Kreisverband in der Region mit gegründet und Wahlkampf für seine Partei gemacht. »Heute liegt die AfD mit der CDU gleichauf bei rund 25 Prozent.« Seine Anhängerschaft kenne ihn als langjährigen Rundfunkmoderator beim rbb-Sender Antenne Brandenburg, der hergekommen sei und angefangen habe, ein bisschen mehr Politik zu machen. »Ich bin der einzige AfDler hier, aber die Menschen sprechen uns zu, auch wenn sie sich nicht trauen, Parteimitglieder zu werden, weil sie persönliche Nachteile fürchten.«
Frye hätte lieber eine beschlussfähige Stadtverordnetenversammlung erlebt. »Ich bin nicht zufrieden, kann aber mit der Lösung sehr gut leben. Im Februar werden wir mehr Kandidaten haben. Das wird ein buntes Spektrum geben. Ich hoffe, dass die Menschen sich trotzdem für mich entscheiden.«
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