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Grüne liebäugeln mit Schwarz-Grün

Parteitag hält Tür für Minderheitsregierung mit der Union offen

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Die Grünen stellen sich nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche auf vier weitere Jahre in der Opposition ein und gehen auf Konfrontationskurs vor allem zur FDP. Zugleich betonten sie auf ihrem Parteitag am Samstag in Berlin die Bereitschaft zu weiteren Gesprächen und hielten sich die Möglichkeit einer schwarz-grünen Minderheitsregierung offen. Kritik an den Kompromissen bei den Sondierungen mit Union und FDP gab es nur vereinzelt.

Einen Antrag, der eine Regierungsbeteiligung der Ökopartei an einer unionsgeführten Regierung ohne eigene Mehrheit ausgeschlossen hätte, lehnte der Bundesparteitag ab. Parteichef Cem Özdemir betonte, bei einer neuerlichen Großen Koalition von Union und SPD müssten die Grünen für Klimaschutz, Menschlichkeit, Europa und Weltoffenheit einstehen. Im Parlament drohe ein Überbietungswettbewerb des Populismus von links und rechts. »Da wird es ganz zentral auf uns ankommen«, rief er den mehr als 800 Delegierten zu.

Die Grünen wollten auf ihrem eintägigen Parteitag die Bundestagswahl und die geplatzten Jamaika-Sondierungen aufarbeiten. Eigentlich wollte der Parteitag entscheiden, ob die Grünen auf Basis der Sondierungsergebnisse Koalitionsverhandlungen aufnehmen - nach dem Abbruch der Gespräche durch die FDP hatte sich das erledigt.

Für das Scheitern der Gespräche über eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen machten Özdemir und andere Spitzen-Grüne vor allem die FDP verantwortlich. Der Ausstieg aus den Verhandlungen sei nicht inhaltlich, sondern taktisch begründet gewesen.

Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt rief den Liberalen zu: »Liebe FDP, ihr braucht mal die Begegnung mit der Realität.« Dem Chef der Liberalen sei es nicht in erster Linie um Themen wie Digitalisierung oder Abbau des Solidaritätszuschlage gegangen. »Christian Lindner ging es um Christian Lindner«, sagte Göring-Eckardt. Ex-Umweltminister Jürgen Trittin nannte die FDP eine »rechte bürgerliche Protestpartei«.

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki wies die Grünen-Angriffe scharf zurück. »Bei aller verständlichen Frustration über das Zerplatzen von persönlichen Karriereträumen gibt es für die verbalen Entgleisungen keine Entschuldigung«, sagte Kubicki der Deutschen Presse-Agentur. »Die zum Teil unterirdischen Angriffe auf die FDP und ihre Führung dokumentieren doch in ernüchternder Deutlichkeit, dass es keine Basis für eine Zusammenarbeit in den nächsten vier Jahren gab.«

Im Fall einer neuen großen Koalition beanspruchte Trittin für seine Partei eine Führungsrolle auf der Oppositionsbank. »Dann sind wir nicht Regierung im Wartestand. Wir beanspruchen die politische Oppositionsführerschaft in diesem Lande.« Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte: »Wir sind die letzte handlungsfähige progressive linke Partei, die es in diesem Land gibt.« Die Grünen müssten bei den nächsten Wahlen »so stark sein, dass niemand mehr an uns vorbeikommt«.

Özdemir warb dafür, bei enttäuschten Wählern für die Grünen zu werben: »Lasst uns zugehen auf diejenigen, die sagen, ihr habt uns beeindruckt bei diesen Sondierungen«, sagte er. »Es wäre schade, wenn wir diese Chance nicht nutzen.« Dem Teil der FDP, der weltoffen und pro-europäisch sei, würde er gern »ein Angebot machen«. Auch Winfried Kretschmann, der Grünen-Ministerpräsident aus Baden-Württemberg, forderte eine »Gesprächsoffensive« in Richtung FDP. Die Liberalen dürften nicht wie die österreichische FPÖ den Weg nach rechts gehen.

Die Sprecherin der Grünen Jugend, die die Jamaika-Verhandlungen von Anfang an kritisch gesehen hatte, forderte eine Rückkehr zu den Grundpositionen der Partei. Kompromisse aus den Sondierungen dürften nicht zu Leitlinien für den künftigen politischen Kurs werden. »Ab jetzt muss wieder zu 100 Prozent Grün gelten«, sagte Ricarda Lang.

Der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck warb dafür, die Debatte über die künftige Parteiführung nicht jetzt zu führen. Personalfragen und mögliche Satzungsänderungen sollten im Januar entschieden werden, sagte Habeck, der als Parteichef und damit als Nachfolger von Cem Özdemir im Gespräch ist. Entsprechende Anträge für den Berliner Parteitag waren zurückgezogen worden. Nach der bisher geltenden Satzung könnte Habeck als Landesminister nicht Bundesvorsitzender werden. Voraussichtlich Ende Januar kommen die Grünen zu einem neuen Bundesparteitag zusammen. dpa/nd

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