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Jeder für sich
Französische Gewerkschaften fechten Macrons Arbeitsmarktreform vor Gericht an
In Bezug auf die Arbeitsrechtsreform von Präsident Emmanuel Macron sind sich die großen französischen Gewerkschaftsverbände nicht einig. Deshalb blieben gemeinsame Proteste aus. Jetzt wollen zwar alle auf dem Rechtsweg nachbessern, aber auch wieder jeder für sich. Nach den neuen Gesetzen können unter anderem gesetzliche Regelungen oder Branchenverträge durch Betriebsvereinbarungen außer Kraft gesetzt werden. Zudem wurde der Kündigungsschutz eingeschränkt.
Dabei hatte man mit einem »heißen Herbst« gerechnet. Denn gegen das nach der früheren Arbeitsministerin El Khomri benannte Gesetz, das schon einige Regelungen über Arbeitszeit und Kündigungsschutz gelockert hat, hatte es vor einem Jahr machtvolle, weil weitgehend gemeinsam von allen Gewerkschaften geführte Aktionen gegeben. Viele erinnern sich auch an die wochenlangen Streiks und Demonstrationen von weit mehr als einer Million Menschen im Herbst 1995 gegen die Rentenreform des rechten Premiers Alain Juppé, der schließlich seine Pläne zurücknehmen und zurücktreten musste. Doch was sich in diesem Herbst abspielte, lässt sich damit nicht vergleichen.
Der erste Aktionstag, zu dem der linke Gewerkschaftsverband CGT und einige kampfentschlossene kleinere Fachgewerkschaften für den 12. September aufgerufen hatten, war mit landesweit 230 000 Demonstranten (die Polizei zählte 80 000) noch der erfolgreichste. Die drei folgenden am 10. und 19. Oktober sowie am 16. November blieben weit dahinter zurück. Die traditionell eher zu Reformen als zu Kampfaktionen neigende gemäßigte CFDT hatte schon im Sommer deutlich gemacht, dass sie die Arbeitsrechtsreform im Großen und Ganzen für gerechtfertigt hält, um den kleinen und mittleren Unternehmen das Leben zu erleichtern und so den Wirtschaftsaufschwung zu fördern. Macron war außerdem so klug, einige Änderungsvorschläge der CFDT zu akzeptieren. So gelang es, diesen großen Verband, der bei den letzten Betriebsratswahlen die CGT als stärkste Gewerkschaft abgelöst hat, von den Reformgegnern zu trennen. Eine ähnlich aufgeschlossene Position nimmt die Angestelltengewerkschaft CFE-CGC ein.
Die Führung der sozialdemokratischen Force ouvrière (FO) stand etwas reservierter zu der Reform, wollte aber nicht wie 2016 der CGT folgen, weil ihr das seinerzeit als Unterordnung ausgelegt worden war. Nur zum vierten und vorläufig letzten Aktionstag Mitte November schloss sich die FO-Führung auf Druck der eigenen Basis dem Aufruf der CGT an. Trotzdem nahmen an diesem Tag nur ein Viertel soviel Menschen teil wie am ersten Aktionstermin, als noch Hoffnung auf Erfolg bestand.
Jetzt will die CGT nach den Worten ihres Generalsekretärs Philippe Martinez »den Kampf in die Betriebe tragen« und dort den Widerstand gegen die Reform organisieren. Die CGT ist aber auch vor den Staatsrat gezogen, das oberste Verwaltungsgericht des Landes, um wesentliche Elemente der Reform wie die Priorität der auf Betriebsebene ausgehandelten Abkommen gegenüber Branchenverträgen zwischen den Sozialpartnern, anzufechten. Diesem Beispiel sind auch die anderen Gewerkschaftsverbände gefolgt, auch wenn ihre Rechtsbeschwerden andere Elemente der Reform und manchmal nur Details betreffen. Damit gibt es auch vor Gericht keine einheitliche Front.
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