Straßenbahnen reparieren gelernt

Arbeitsagentur präsentiert Ausbildungsbilanz: 1689 freie Lehrstellen zunächst nicht besetzt

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wie, du willst eine Ausbildung machen? Du hast doch Abitur?« Das hat die mittlerweile 23-jährige Anja Jurisch oft gehört. Doch sie wollte unbedingt nach Potsdam, hat im Internet recherchiert, ist dabei auf den Verkehrsbetrieb in Potsdam (ViP) gestoßen. Sie hat sich für eine Ausbildung zur Industriekauffrau beworben, ist genommen worden und inzwischen mit der Ausbildung fertig. »Es sind drei Jahre vergangen, und jetzt sieht es anders aus«, resümiert Jurisch. Ehemalige Klassenkameraden gestehen ihr heute: »Hätte ich doch auch eine Ausbildung gemacht. Mit dem Studium läuft es nicht.«

Auch André Braunsdorf bereut es nicht, beim Verkehrsbetrieb eine Lehre angefangen zu haben. Im Januar wird er fertig, ist dann Industriemechaniker und kann Straßenbahnen reparieren und warten. Die dazu notwendigen Fertigkeiten sind ihm in der betriebseigenen Lehrwerkstatt an der Franz-Zubeil-Straße 96 beigebracht worden. Um seine berufliche Zukunft macht sich Braunsdorf keine Sorgen. »Wir werden garantiert übernommen«, schwärmt der 19-Jährige.

Zwischen Oktober 2016 und Ende September 2017 hatten sich 14 521 Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz bei der Arbeitsagentur, bei den Jobcentern oder bei den Jugendberufsagenturen im Land Brandenburg gemeldet. Das waren ungefähr so viele wie im Jahr zuvor. Auf der anderen Seite war die Zahl der von den Betrieben angebotenen Lehrstellen um 515 auf 13 640 gestiegen. Aber nicht alle Jugendlichen haben etwas Passendes gefunden. Ende September waren noch 1169 junge Menschen unversorgt. Aber es waren auch noch 1689 Ausbildungsplätze unbesetzt. Die Arbeitsagentur und die Jugendberufsagenturen versuchen auch jetzt noch, Jugendliche zu vermitteln.

»Die Arbeitgeber haben erneut deutlich mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt als im Vorjahr«, sagte am Donnerstag Bernd Becking, Regionaldirektionschef der Arbeitsagentur, als er die Ausbildungsbilanz vorstellte. Becking lobte insbesondere den Bereich Logistik und Verkehr. Diese Branche habe die Zahl der Lehrstellen beachtlich gesteigert. »Das ist nicht überall der Fall«, bedauerte Becking. Auch Sozialministerin Diana Golze (LINKE) sieht noch Reserven. Immerhin dürften 54 Prozent der brandenburgischen Unternehmen ausbilden, doch lediglich 22 Prozent von ihnen tun dies. Damit liegt das Bundesland unter dem ostdeutschen Durchschnitt von 23 Prozent und unter dem westdeutschen Schnitt von 29 Prozent sowieso. Gemessen wird in puncto Ausbildung außerdem noch, wie groß der Anteil der Lehrlinge am Personal der Unternehmen ist. Auch diese Quote sinke in Brandenburg seit Jahren, bemerkte Regionaldirektionschef Becking betrübt.

Diese Tatsachen bekümmern auch die DGB-Landesbezirksvorsitzende Doro Zinke. »Brandenburg war bei der Ausbildung mal richtig gut«, erinnert sie. Zwölf bis 15 Jahre sei das her. »Inzwischen ist Brandenburg fast so schlecht wie Berlin - und das ist übel.«

Es gibt aber auch gute Nachrichten. So werden inzwischen 70 Prozent der brandenburgischen Lehrlinge nach ihrer Ausbildung übernommen. Vor zehn Jahren habe dieser Wert nur etwa halb so hoch gelegen, berichtete Sozialministerin Golze.

Der Fachkräftemangel macht sich immer stärker bemerkbar. Doch die Situation unterscheidet sich regional teils erheblich. Es gibt in Brandenburg inzwischen Gegenden, wo es viele freie Lehrstellen und wenige Bewerber gibt, aber auch der umgekehrte Fall kommt vor.

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