Christsoziale Hinterhalte

Gerüchte über eine Kandidatur des bayerischen Innenministers Herrmann schrecken Machtkampfstrategen auf

  • Christoph Trost und Marco Hadem
  • Lesedauer: 4 Min.

München. Chaos, Misstrauen, Wut, Enttäuschung - die CSU ist maximal in Aufruhr. In spektakulärer Weise taumelt die Partei der Entscheidung über Horst Seehofers Erbe entgegen, der Ausgang ist offen. Die Frage seit Mittwochabend ist: Wird es überraschend eine Kampfabstimmung über die Landtags-Spitzenkandidatur geben, zwischen Finanzminister Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann? Diese Frage versetzt die CSU-Landtagsfraktion seit Mittwochabend in hellste Aufregung. Getuschel im Plenarsaal, Grüppchenbildungen auf den Gängen und in der Landtagsgaststätte, unzählige SMS- und WhatsApp-Nachrichten. »Die Nachricht hat eingeschlagen wie eine Bombe«, berichtet ein führender CSU-Abgeordneter. Die Fraktion fühle sich hintergangen.

»Süddeutsche Zeitung« und »Münchner Merkur« hatten zuvor berichtet, Herrmann habe bereits am Montag in einer vertraulichen Sitzung in der Staatskanzlei erklärt, er wolle sich um die Spitzenkandidatur bewerben, sollte Seehofer zum Verzicht bereit sein. An dem Treffen sollen neben Seehofer und Herrmann nur wenige hochrangige CSU-ler teilgenommen haben: Parteivize Manfred Weber, Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. »Das hat schon etwas von einem Geheimbund«, schimpft ein Abgeordneter.

Unstreitig ist in der CSU mittlerweile, dass es massive Bestrebungen innerhalb der Parteiführung gibt, Herrmann zu einer Gegenkandidatur gegen den großen Favoriten Söder zu bewegen. Und natürlich passt das Geheimtreffen am Montag für viele exakt ins Bild, waren hier doch die wohl prominentesten Söder-Gegner versammelt: Weber, Aigner - und natürlich Seehofer selbst. Die große Frage ist aber: Hat Herrmann in dem Kreis tatsächlich zugesagt zu kandidieren?

Parteiintern dementiert Herrmann die Zeitungsberichte noch am Abend. Er habe nichts zugesagt - so zitierten ihn auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur übereinstimmend mehrere Abgeordnete und andere Funktionäre. Bei einem Treffen der mittelfränkischen Abgeordneten am Mittwochmorgen im Landtag soll Herrmann trotz vieler Nachfragen eine Aussage abgelehnt haben. Öffentlich sagt Herrmann erst recht nichts - nur, dass er sich erst äußern werde, wenn Seehofer sich erklärt habe. Ein Dementi ist das nicht. Heißt das, dass Herrmann noch überlegt zu kandidieren? Die Fraktion wird am Montag geheim über ihren Favoriten abstimmen.

Vielen in der CSU ist am Donnerstag nicht nur ein Rätsel, was das Geheimtreffen in der Staatskanzlei sollte - sondern auch, warum es nun öffentlich wurde. Und dann auch noch mit einer Nachricht, die von Herrmann parteiintern dementiert wird. Wem könnte das nutzen?

Herrmann habe sich mit der Aktion jedenfalls keinen Gefallen getan, heißt es in der Fraktion. Am deutlichsten wird der Abgeordnete Ernst Weidenbusch: »Nur ein Esel lässt sich vor einen Karren spannen - besonders vor einen fremden Karren.« Sein Kollege Michael Hofmann glaubt nicht, dass Herrmann kandidiert: »Wer so antritt, der kündigt die Einheit der CSU auf«, warnt er.

Andererseits könnte das Ganze ein klassischer Testballon sein. Was, wenn Herrmann bis zum Wochenende intern auch viel Zuspruch bekommen sollte? Ein veritabler Kandidat wäre er unstreitig, heißt es. Der Minister wird in der Fraktion, deren Chef er in früheren Jahren war, überaus geschätzt. Nur: Es lief eben zuletzt alles auf Söder zu, den Wunschkandidaten weiter Teile der Fraktion. Herrmann dagegen hatte zuletzt, anders als nach der Landtagswahlpleite 2008, keinerlei Ambitionen auf das Ministerpräsidentenamt erkennen lassen, sondern eher auf einen Ministerposten im nächsten Bundeskabinett. Auch Abgeordnete, die ihm nahestehen, glauben deshalb nach wie vor nicht daran, dass Herrmann am Ende gegen Söder antreten wird.

Der Schaden scheint schon jetzt maximal - für fast alle Beteiligten, auch für Seehofer. »Horst Seehofer ist und bleibt ein hoffnungsloser Falschspieler, dem man nicht trauen kann und der endlich seine Ämter abgeben muss«, schimpft ein CSU-Landtagsabgeordneter wutentbrannt. Wenige Tage noch, dann dürfte der Machtkampf entschieden sein. Dass Seehofer als Ministerpräsident aufhört, gilt als gesetzt. Die Frage ist nur noch, ob erst zur Wahl oder schon vorher. Und offen ist auch, ob er noch einmal als Parteichef weitermacht - oder ob der EU-Politiker Manfred Weber oder Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, ihm nachfolgen. Oder jemand ganz anderes? Die allergrößte Frage aber ist: Wird es das Duell Söder-Herrmann tatsächlich geben? In der Fraktion oder auf dem Parteitag? Die denkwürdigen Chaos-Wochen in der CSU sind noch nicht zu Ende. dpa/nd

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