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- Machtkampf in der CSU
Warten auf Seehofer
Im CSU-Machtkampf könnte an diesem Montag eine Vorentscheidung fallen
An diesem Montag soll es also so weit sein. Endlich soll der Schleier über der CSU gelüftet werden und die Fraktion der Christsozialen im bayerischen Landtag ihre Empfehlung abgeben, wer Spitzenkandidat für das Amt des Ministerpräsident im Freistaat werden soll. Eine Empfehlung wohlgemerkt, denn endgültig darüber entscheiden wird der CSU-Parteitag, der am 15. und 16. Dezember in Nürnberg tagt.
Seit Tagen wird spekuliert, dass der bayerische Innenminister Joachim Herrmann als Kandidat antreten könnte - und zwar als Gegenkandidat zum heimlichen Favoriten der Fraktion, Finanzminister Markus Söder. Mit diesem Coup, so heißt es, will die Truppe um Parteichef und Ministerpräsident Horst Seehofer den ungeliebten Rivalen stoppen. Um politische Inhalte geht es bei diesem Kampf ums Amt nicht. Wähler könnten sich also durchaus fragen, warum dann der ganze Wirbel gemacht wird.
Davor aber stehen noch andere Fragen zu dieser Erzählung über diesen Montag. Da ist zunächst einmal die Tatsache, dass in Berlin eine andere Entscheidung fallen soll. Der SPD-Parteivorstand mit Martin Schulz will bekannt geben, welche Empfehlung er dem am kommenden Donnerstag in Berlin beginnenden Bundesparteitag der Sozialdemokraten in Sachen Große Koalition geben will. Die Parteispitze hatte bei ihrem Treffen mit der Union bei Bundespräsident Walter Steinmeier die Möglichkeiten für eine erneute Große Koalition ausgelotet. Fällt diese Entscheidung positiv aus, stehen harte Verhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD an, so viel ist klar. Fällt die Empfehlung negativ aus, stehen womöglich Neuwahlen vor der Tür. So oder so: Eine endgültige Entscheidung soll der SPD-Parteitag treffen.
Alles offen in Berlin, ist also die politische Parole des Tages. Wird Seehofer für neue Groko-Verhandlungen in der Hauptstadt gebraucht? Oder braucht die CSU einen neuen Spitzenkandidaten für eine neue Bundestagswahl? In dieser Situation will die CSU-Landtagsfraktion darüber befinden, wer für das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten antreten soll? Wobei das nur für den Fall geplant ist, dass Seehofer zuvor seinen Amtsverzicht erklärt. Der hat aber noch gar nichts erklärt und es würde auch nicht wundern, wenn er angesichts der turbulenten Tage in Berlin erstmals auf dem Posten bliebe.
Denn Seehofer hat erst vor kurzem seinen Rücktritt vom Rücktritt vollzogen. Politische Kaffeesatzleser hatten gemunkelt, er werde am Donnerstag, dem 23. November, Söder sein Amt überlassen. Stattdessen gab es jedoch eine Überraschung. Seehofer holte statt Amtsverzicht wie aus einem Zauberhut ein Beratungsteam mit den Altpolitikern Barbara Stamm, Edmund Stoiber und Theo Waigel hervor. Mit ihnen werde er seine Zukunft besprechen, ließ er verlauten. Geäußert hat sich dieses Team noch nicht.
Wenn Seehofer auch an diesem Montag vor der Sitzung der CSU-Fraktion nichts sagt, sondern etwa die Entscheidung der SPD in Berlin abwarten will, dann werden sich die CSU-Abgeordneten hüten, irgendwelche Empfehlungen auszusprechen und dem eigenen Verhandlungsführer in Berlin damit in den Rücken zu fallen.
Doch die Erzählungen über diesen Montag in München sind noch nicht zu Ende. Da geht auch noch die Geschichte über die Gegenkandidatur Herrmanns um. Bestätigungen dafür gibt es nicht. Weder von Herrmann selbst noch von Söder, der ohnehin nichts sagt, sondern höchstens sagen lässt, noch von irgendwelchen Dritten. Dafür schießen die Spekulationen und Interpretationen ins Kraut, was diese nicht bestätigte Kandidatur bedeute.
Wem das zu viel Nebelschwaden sind, der kann sich an Tatsachen halten: Erstens: Der bayerische Ministerpräsident wird nicht in der CSU-Fraktion, sondern vom bayerischen Landtag gewählt. Zweitens: Über den Spitzenkandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten entscheidet in der CSU nicht die Fraktion, sondern der Parteitag.
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