Fingerhakeln um die Macht

Seit Franz Josef Strauß wird in der CSU jeweils heftig um die Nachfolge gerungen

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist schon ein bemerkenswerter Vorgang: Normalerweise wird das Spitzenpersonal einer demokratischen Partei auf Parteitagen bestimmt und zwar durch die Delegierten. Dass die CSU es jetzt anders macht und ihre Landtagsfraktion den Spitzenkandidaten für das Amt des künftigen bayerischen Ministerpräsidenten kürt, zeugt von den erheblichen Verwerfungen, die den aktuellen Machtwechsel bei den Christsozialen begleiten.

Was aber auch Tradition hat. Die Partei, die seit mehr als 50 Jahren im Freistaat die Regierung stellt, hat es in den vergangenen Jahrzehnten versäumt, ein geordnetes Verfahren für die Macht- und Generationenübergabe auszuarbeiten. Die Besetzung der Ämter des Parteivorsitzenden und des Spitzenkandidaten für die Landtagswahl war seit fast vier Jahrzehnten jeweils von einem Hauen und Stechen begleitet, krachledernd wurde in der Partei miteinander gerauft und gekungelt.

Der letzte mehr oder weniger geregelte Übergang von einem Regierungschef zum anderen war 1978, als der »große Vorsitzende« Franz Josef Strauß aus der parlamentarischen Opposition in Bonn zurück nach München kam und dort nach der Landtagswahl als Nachfolger von Alfons Goppel gewählt wurde. Goppel hatte - allerdings nach gutem Zureden von Seiten der Parteifreunde - auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Dafür wurde ihm der Weg als Abgeordneter ins Europaparlament geebnet, wo er bis 1984 saß.

Die ihm nachfolgenden Ministerpräsidenten der CSU erlebten keinen derart relativ friedlichen Abschied. Strauß verstarb im Oktober 1988 im Amt. Sein Nachfolger Max Streibl stolperte 1993 über die sogenannte Amigo-Affäre. Das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« beschrieb Jahre später, wie damit innerhalb der Partei umgegangen wurde: »Erst als die CSU-Oberen überzeugt waren, mit Streibl bei der Landtagswahl 1994 die absolute Mehrheit zu verlieren, ließen sie ihn fallen.« Neben Streibl hatte Theo Waigel das Amt des Parteichefs inne, eine Doppelspitze mit relativ wenig Sand im Getriebe.

Nach dem Rücktritt von Streibl wurde Edmund Stoiber Ministerpräsident und holte als Spitzenkandidat bei den Landtagswahlen 1994 die absolute Mehrheit von 52,8 Prozent der Stimmen. Die Nachfolge von Streibl wurde in einem innerparteilichen Kampf entschieden, neben Stoiber agierte Theo Waigel hinter den Kulissen. Der verzichtete schließlich nach unzähligen Krisengesprächen und gescheiterten Versöhnungsversuchen auf das Amt des Ministerpräsidenten und die Landtagsfraktion wählte Stoiber, allerdings nicht, ohne dass andere Parteigremien berücksichtigt wurden. Die Doppelspitze Stoiber/Waigel währte bis 1999, als Stoiber auch Parteichef wurde. Die Zusammenarbeit der beiden CSU-Granden galt als geprägt durch persönliche Abneigung.

2007 erfolgte der Sturz Stoibers, der nach seinem Berlin-Debakel (er tritt trotz vorheriger Ankündigung nicht in das Kabinett Merkel ein, sondern bleibt in München) innerhalb der eigenen Partei umstritten war. Nach seinem Verzicht auf eine erneute Kandidatur und auf den Parteivorsitz kommt es in der CSU zu der Doppelspitze mit Günther Beckstein als Ministerpräsident und Erwin Huber als Parteichef. Ihnen gab Stoiber die Schuld an seinem Sturz und er rächte sich 2008 nach einem neuerlichen Landtagswahldebakel als eine der treibenden Kräfte hinter den Parteikulissen. Beckstein und Huber verloren beide ihre Ämter und wurden von Horst Seehofer beerbt.

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