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Happy mit Hartz IV?
Satire-Kampagne wirbt überschwänglich für die Wohltaten von Hartz IV / Hinter der Kampagne steckt eine Grundeinkommens-Initiative
»Super, dass das mit Hartz IV so einfach geht, ganz ohne Stress«, erzählt der fiktive Tischler Andreas im Werbevideo der Kampagne »Du bist es uns wert«. Er wolle zur Lebensmitte noch einmal »richtig durchstarten« und sich mit einer Tischlerwerkstatt selbstständig machen. Sein Sachbearbeiter sei ein »cooler Typ«, der ihn unterstütze, wo er könne. Professionell aufgemacht wirbt die Kampagne mit dem Logo »mein Jobcenter« und mehreren Videos derzeit für die »Hilfe«, die Hartz IV derzeit »jeden Tag millionenfach« biete.
Die Initiative werde getragen von »Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik«, die sich für eine »pragmatische Sozialpolitik« Deutschlands einsetzen wollen, heißt es auf der Kampagnen-Webseite. Die Agenda 2010 habe einen historischen Beitrag dazu geleistet, Deutschland »wettbewerbsfähiger« zu machen. Die Kampagne wirbt mit schneidigem PR-Sprech, in den drei Video-Geschichten von vermeintlichen Hartz-IV-Beziehern geht es um Anna, die ihr »Studium rockt«, Andreas, der »Großes vorhat« und Timo, der »richtig durchstartet«.
In Layout und Argumentation erinnert die aktuelle Kampagne entfernt an die Werbeaktionen der Unternehmerlobbygruppe »Initiative Soziale Marktwirtschaft«. Auch diese hatte in der Vergangenheit offensiv für den Sozialstaat geworben, einen neoliberalen jedoch, der »fordert und fördert«. »Happy Hartz« geht nun in der selbstbewussten Verteidigung von Hartz IV und ihrer neusprech-artigen Positivumschreibung prekärer Lebenssituationen noch einen Schritt weiter.
Schon am Wochenende tauchte in Berlin ein Plakat der neuen Kampagne auf, doch sie läuft vor allem im Internet unter dem Hashtag #DuBistEsUnsWert. Im Netz gab es bereits empörte Reaktionen. »Es gibt kein Happy Hartz«, »reiner Hohn« oder »dunkelschwärzeste Satire« kommentierten Nutzer. Andere sprangen ironisch auf den Zug auf und twitterten unter dem Kampagnen-Hashtag Reaktionen wie »Du lernst dich mit Widersprüchen auseinanderzusetzen, auch schon wegen Kleinigkeiten«.
Vor allem aber wird online über die Urheber der Kampagne spekuliert. Es gehe »um die Sache, nicht um Parteien und Personen«, deswegen wolle man anonym bleiben, heißt es auf der Kampagnenseite www.mein-jobcenter.de. Im Impressum der Seite wird eine Parnass Gmbh und eine Paula Rosenholz genannt. Erste bietet – benannt nach dem griechischen Gebirgszug – Krisen-PR und Beratung an. Doch statt Referenzen gibt es auf der Homepage nur geschliffene Marketing-Floskeln. Die Zweite hat ihren Twitter-Account erst am 4. Dezember angelegt.
Auf Twitter fragten Nutzer, ob der Satiriker Jan Böhmermann für die Kampagne verantwortlich sei – bisher ohne Antwort. Nicht für die Kampagne verantwortlich ist zumindest das Berliner Peng-Kollektiv. Die Satire-Künstler hatten in der Vergangenheit mit professionell gemachten Pressekonferenzen und Kampagnen Großunternehmen wie Vattenfall oder die Rekrutierungskampagne der Bundeswehr kritisiert. Letztes Jahr schon widmete man sich Hartz IV, allerdings komplett umgekehrt. »Deutschland sagt sorry« hieß die Peng-Kampagne, die sich zehn Jahre nach der Agenda 2010 für die Hartz-Reformen entschuldigt. Zur Happy Hartz-Kampagne hat das Peng Kollektiv eine klare Meinung: »Es wäre ja Realität, die die Satire übertrifft«, schreiben die Satiriker auf Facebook. Mein sei aktuell noch mit der eigenen Kampagne gegen »böse Entmieter beschäftigt«. Auch die Satiriker vom Zentrum für politische Schönheit setzen derzeit andere Schwerpunkte. Sie arbeiten sich aktuell mit einer Kunstkampagne an AfD-Politiker Björn Höcke ab.
Mittlerweile sind auch die Urheber der Kampagne bekannt geworden, offenbar vorab und gegen ihren Willen. Laut Deutschlandfunk sind die Macher von www.mein-grundeinkommen.de beziehungsweise von www.sanktionsfrei.de für die Kampagne verantwortlich. Sie meldeten sich passend zum Nikolaustag auf Twitter zu Wort: »Betrachten Sie Hartz-IV wie den Nikolaussack: Alle haben Angst vor der Rute, aber in Wahrheit bekommt man Schokolade.«
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