Steigende Kosten trotz leerer Betreuungsplätze

Landesrechnungshof rügt Finanzverhalten im Falle der Jugendhilfeheime Frostenwalde und Liepe

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Nichts ist so gut, dass man nach einer bestimmten Zeit nicht doch noch einmal genau hinsehen sollte. Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser. Nach diesem Motto muss der Landesrechnungshof verfahren. Ein Beispiel dafür ist die Vorzeige-Jugendeinrichtung des Justizministeriums in Frostenwalde.

In Frostenwalde werden seit 1994 straffällig gewordene Jugendliche zur Vermeidung von Untersuchungshaft untergebracht und mit großem Aufwand pädagogisch betreut. 23 Jahre nach der Inbetriebnahme nutzt das Land Brandenburg selbst von einst 24 Plätzen nur noch drei, und die sind über einen längeren Zeitraum gerechnet nur zur Hälfte ausgelastet. Das Ministerium plant jährlich 650 000 Euro für die Unterbringung krimineller Jugendlicher in dem Heim ein, obwohl es nur 347 000 Euro ausgibt. Die freien Kapazitäten werden vom Land Berlin genutzt. In 20 Jahren hat das Justizministerium nie die von einem Trägerverein erhobenen Kosten geprüft.

In einem ähnlichen Heim in Liepe (Barnim) reduzierte das Land in den Jahren 2012 bis 2016 die Belegung von zwölf Plätzen auf acht. Der Betreiber hob aber die Kosten für belegte und unbelegte Plätze an, sodass das Land trotzdem heute 23 000 Euro mehr zahlt als 2012. Achtmal mehr Insassen kommen nun aus Berlin. Für das Heim in Liepe stiegen die Kosten von 48 000 Euro je Haftplatz auf 71 000. Der Erfolg der Einrichtung wurde nie überprüft.

Der Landesrechnungshof kommt daher zu dem Schluss: »Es ist dem Ministerium noch nicht gelungen, auf den Rückgang des Unterbringungsbedarfs ausreichend zu reagieren.« Bei weiter abnehmenden Fallzahlen sollte der Ausstieg aus den Verträgen in Erwägung gezogen werden, heißt es. Das Justizministerium zeigte sich in Grenzen reumütig. Zwar sieht es keine Möglichkeit, auf die Einrichtung in Frostenwalde zu verzichten. Doch wurde zugesichert, zu prüfen, ob die abgerechneten Kosten den tatsächlich anfallenden Kosten entsprechen. Das Ministerium hält an der Auffassung fest, dass eine freihändige Vergabe des Betreuungsauftrags aufgrund des »Alleinstellungsmerkmals« geboten war. Das Alleinstellungsmerkmal war die besondere Kompetenz des Trägers. Die Tatsache, das im Falle des Heimes Liepe keine externe Überprüfung stattgefunden hatte, wurde mit der geringen Fallzahl begründet, die »keine valide Erkenntnisgrundlage« dargestellt habe.

Die in Frostenwalde untergebrachten Jugendlichen werden dort bis zu ihrer eventuellen Verurteilung betreut, um eine förmliche Untersuchungshaft zu vermeiden. Durch ein gutes Betragen konnten sie sich Pluspunkte in ihrem Strafverfahren erarbeiten. Nun aber ist die Zahl der Jugendstrafverfahren im Land Brandenburg massiv zurückgegangen. Im Jahr 2014 waren 6229 Fälle vor Jugendrichtern der Amtsgerichte eingegangen. Im Jahr 2009 waren es noch 9692. Der Rückgang hängt damit zusammen, dass es viel weniger Jugendliche gibt als früher.

Vor rund zehn Jahren wurde darauf schon einmal reagiert. Das Heim in Frostenwalde hielt von da an nur noch acht von einst 32 Plätzen vor. Bereits damals hieß es, trotz dieser Reduzierung werde die Auslastung des Heims »nur durch die Aufnahme von Jugendlichen aus anderen Bundesländern gewährleistet«. Die ursprünglich rein brandenburgische Einrichtung genieße in anderen Bundesländern wegen der geleisteten pädagogischen Arbeit einen guten Ruf.

Untersuchungshaft gegen Minderjährige darf nur verhängt und vollstreckt werden, wenn ihr Zweck nicht durch eine andere Maßnahme erreicht werden kann. In Frostenwalde herrscht das Prinzip »Menschen statt Mauern«. Betrieben wird das Heim vom Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk (EJF).

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