Mit Frauen reden
Bei Facebook dominieren Männer die Debatten - wenn Frauen kommentieren, dann meist in einem höflicheren Ton
Facebook ist längst zu einem digitalen Stammtisch geworden, und da Stammtische für gewöhnlich Männerdomänen sind, herrscht auch hier ein Ton vor, der eher rauer, polemischer, derber ist. Frauen sind im Kommentarbereich von Facebook daher unterrepräsentiert; und wenn sie kommentieren, dann tun sie das in der Regel höflicher und zurückhaltender. Zu diesem Ergebnis kommen Marvin Milatz und Sabine Schaper in einem Beitrag für das Medienmagazin des NDR, »Zapp«. Die beiden Journalisten haben für ihre Recherche zwischen dem 23. Oktober und 1. November dieses Jahres mehr als 700 000 Facebook-Kommentare ausgewertet. Ergebnis: Im Schnitt stammten 53 Prozent der Kommentare von Männern, 36 Prozent von Frauen, bei den restlichen 11 Prozent ließ sich anhand der verwendeten Namen das Geschlecht nicht eindeutig zuordnen.
Spitzenreiter in Sachen Geschlechtergleichheit ist übrigens die »Bild«-Zeitung. Beim Online-Auftritt des Boulevardblatts liegt der Frauenanteil bei knapp 41 Prozent, der der Männer bei rund 47 Prozent. »Zapp« hat für seine Analyse die Online-Seiten der fünf klickstärksten Medienhäuser untersucht; neben bild.de waren das focus.de, t-online.de, spiegel.de und welt.de. Die anteilmäßig wenigsten Frauen finden sich mit 33 Prozent auf welt.de. Denn im Vergleich hohen Frauenanteil auf bild.de erklären sich Milatz und Schaper mit dem breit gefächerten Repertoire der Seite.
Offenbar verhalten sich Frauen beim Kommentieren in der Tendenz auch höflicher als Männer. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls Juliane Leopold. Gegenüber »Zapp« meinte die freie Journalistin und Beraterin, Männer würden viel selbstbewusster auftreten, wenn es darum gehe, die eigene Meinung zu verbreiten, »selbst wenn sie sich nicht sicher sind, ob sie stimmt«. Und Leopold geht davon aus, dass dies nicht nur für Facebook gelte.
Bestätigt wird das von Fritz Schmitz. Der Name ist ein Pseudonym, »Zapp« nennt ihn einen »Akkord-Kommentierer«. Im Chat-Interview gab dieser Auskunft über die Debattenkultur in den sozialen Netzwerken. Der Ton der Posts sei oft sehr hitzig, und er selbst lasse sich ebenfalls »viel zu oft mitreißen«, erklärte Schmitz. Leopold wiederum betont, dass das Meinungsklima auf Facebook und anderen Kanälen nicht repräsentativ für die öffentliche Meinung insgesamt ist.
Schon vor einigen Jahren kam eine Untersuchung der Oxford-Universität zu einem ähnlichen Ergebnis wie die aktuelle »Zapp«-Analyse. Die Statistikerin Emma Pierson hatte 900 000 Kommentare untersucht, die zwischen Juni 2013 und Januar 2014 auf der Online-Seite der US-amerikanischen Zeitung »New York Times« veröffentlicht wurden. Nur 28 Prozent der Posts konnte Pierson eindeutig Frauen zuordnen. Auch sie meint, dass die Online-Kommentare kein repräsentatives Bild der öffentlichen Meinung darstellen. Die Überrepräsentation von Männern in den Kommentarbereichen wirke sich direkt auf den Grad der Empathie aus, der den Opfern sexueller Gewalt entgegengebracht werde.
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