- Politik
- Antisemitismus-Debatte in Deutschland
LINKE verteidigt Dehm vor Antisemitismus-Vorwürfen
Parteivorstand reagiert auf Zeitungskommentar über Abgeordneten / LINKE-Politiker unzufrieden mit Debatte
Die Antisemitismus-Debatte um den Medienmacher Ken Jebsen schlägt auch nach der umstrittenen Preisverleihung Wellen in der LINKEN. In die Kritik geraten war neben Jebsen selbst auch der LINKE-Bundestagsabgeordnete Diether Dehm, dem ein Autor in der »Berliner Zeitung« sowie in der »Frankfurter Rundschau« in einem Kommentar Antisemitismus vorwarf. In den sozialen Medien hatte dies für hitzige Debatten gesorgt. Am Freitag schaltete sich der LINKE-Parteivorstand mit einem Brief an die »fr«-Chefredaktion ein und widersprach den Aussagen in dem Kommentar »entschieden«.
Der Autor Christian Bommarius hatte unter anderem geschrieben: »Sollten Juden eines Tages wieder gezwungen werden, mit einem gelben Stern durch die Straßen zu laufen, könnte Dehm darin keinen Antisemitismus erkennen, selbst Konzentrationslager erregten in ihm keinen einschlägigen Verdacht.« Diese Aussage bezieht Bommarius auf eine Rede, die der LINKE-Abgeordnete Dehm 2009 auf einem Ostermarsch in Kassel hielt. Darin sagte Dehm: »Antisemitismus ist Massenmord und muss dem Massenmord vorbehalten bleiben. Er darf nicht inflationiert werden und nicht für alles und jedes verwendet.«
In dem auch öffentlich getwitterten Brief der LINKE-Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger heißt es nun, Dehm werde in dem Kommentar als Antisemit bezeichnet, die oben zitierte Aussage über den Politiker sei eine Unterstellung: »Diese konkreten Vorwürfe gegen unser Parteimitgleid Diether Dehm und den in weiten Teilen unangemessene Stil des Artikels möchten wir hiermit entschieden zurückweisen.« Der Vorstand weist zudem auf eine Richtigstellung, die Dehm zu dem viel zitierten Satz aus seiner Ostermarsch-Rede machte. Dehm erklärte hierzu: »Das Wort ‘vorbehalten’ heißt mitnichten, nur Massenmord sei Antisemitismus.«
Es gehe darum, dass jedweder Antisemitismus »mit dem Massenmord verbunden bleibt, dass es also seit Auschwitz keinen ‘harmlosen’ Antisemitismus mehr gibt.« Dehm ergänzte: »Aber nur dann, wenn es belegbar Antisemitismus ist«, und schließt »Netanjahu-Kritik« aus der Definition des Begriffes aus. Antisemitismus, heißt es weiter, bleibe nach der Shoah mit der Shoah verbunden, »als ihre propagandistische Legitimation«.
Nicht alle Politiker der LINKEN sind von dieser Klarstellung überzeugt. Der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow kommentierte den Vorstandsbrief auf Twitter mit den Worten: »Ich lese den Satz und die weitere Erläuterung von Dieter Dehm als Verunklarung von der Wirkung vom Antisemitismus und damit letztlich auch als Verharmlosung.« Antisemitismus sei nicht »gebunden« an die Shoa, »sondern er ist der Weg, der in die Shoa führte.«
Die Debatte war wieder entfacht worden, als Dehm sich im Vorfeld der von dem Internetblog »Neue Rheinische Zeitung« organisierten Verleihung des »Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik« für die Meinungsfreiheit Ken Jebsens engagierte. Berlins Kultursenator Klaus Lederer (LINKE) hatte gegen die Veranstaltung interveniert, weil er darin einen »Jahrmarkt der Verschwörungsgläubigen und Aluhüte« sieht. Daraufhin wurde dem Senator »Zensur« vorgeworfen, Jebsen-Unterstützer hatten zu einer Kundgebung »für Presse- und Meinungsfreiheit« aufgerufen. Als Unterstützer traten am Donnerstag unter anderem die LINKE-Politiker Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke und Christiane Reymann auf der Kundgebung auf – obgleich der Parteivorstand in einem Beschluss zuvor seine Ablehnung gegenüber einer solchen Teilnahme deutlich gemacht hatte. Jebsen selbst hatte seine Teilnahme an der Preisverleihung wegen Auseinandersetzungen mit den Veranstaltern kurzfristig abgesagt.
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