1000 Schächte bruchgefährdet

Nordrhein-Westfalen: Bei 65 alten Stollen ist die genaue Lage nicht einmal bekannt

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Düsseldorf. Bei mehr als 1000 Bergbauschächten in Nordrhein-Westfalen ist mit sogenannten Tagesbrüchen etwa durch den Einsturz alter, nicht verfüllter Stollen zu rechnen. Als Tagesbruch werden Bergschäden bezeichnet, die nach Verbrüchen im Untergrund bis an die Erdoberfläche (in der Bergmannssprache »Tag« genannt) durchbrechen. Dort wird der Schaden oft durch Risse oder kraterähnliche Einsturztrichter sichtbar. In einer aktuellen Antwort des Düsseldorfer Energieministeriums auf eine Anfrage der Grünen im Landtag heißt es: »Diese Schächte stellen aufgrund der Höhe der Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder des Schadensumfangs ein langfristig nicht zu akzeptierendes Risiko dar, so dass für diese Schächte die tatsächlich vorhandene Gefährdung durch Untersuchungen nachzuweisen und erforderlichenfalls Maßnahmen zur Risikobewältigung (...) oder zur Risikominimierung (...) durchzuführen sind.« Demnach ist das Land derzeit für maximal 2569 verlassene Schächte des Steinkohlebergbaus zuständig.

Von 65 Schächten ist den Angaben zufolge aber die genaue Lage nicht bekannt. »Beunruhigend ist, dass wir bei vielen Risiken nun wissen, dass wir nichts wissen«, erklärte die Sprecherin der Landtags-Grünen für Bergbausicherheit, Wibke Brems, in einer Mitteilung. Die Risikoanalyse durch die Bergbehörde müsse dringend landesweit angegangen werden. In der Antwort des Energieministeriums heißt es unter anderem: »Immer wieder ist festzustellen, dass bei der Sicherung altbergbaulicher Hinterlassenschaften durch unerfahrene Dritte Verfahren eingesetzt werden, die für den entsprechenden Zweck unzureichend und/oder unter Nachhaltigkeitsaspekten fragwürdig sind.«

Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) erklärte dazu, die Situation sei nicht neu. Seit Jahrhunderten gebe es planvollen und auch wilden Bergbau im Kohlerevier. Die Aufarbeitung der daraus entstehenden Gefährdungen sei seit Jahrzehnten im Gange. Die Bergbehörde und viele für den Altbergbau verantwortliche Unternehmen betrieben ein umfassendes Risikomanagement. »Noch nie wussten wir besser Bescheid über mögliche Gefährdungen als heute«, sagte Pinkwart. Dabei würden Risiken eingehend bewertet, Bergbehörde und Unternehmen handelten frühzeitig, damit Tagesbrüche gar nicht erst entstünden. »Wer jetzt so tut, als sei Gefahr im Verzug, handelt unverantwortlich.«

Der jahrhundertelange Steinkohleabbau im Ruhrgebiet sorgt an der Oberfläche immer wieder für Schäden durch sogenannte Bergsenkungen. Einige Beispiele: 2012 wurde die Autobahn 45 bei Dortmund für fast drei Wochen gesperrt, weil die Erde unter der Fahrbahn ausgehöhlt war. Im Jahr darauf wurde in der Nähe des Essener Hauptbahnhofs ein einsturzgefährdeter Stollen entdeckt. Die Sicherung dauerte mehrere Wochen, der Zugverkehr war in dieser Zeit massiv gestört.

Im Februar 2014 geriet in Bottrop eine Grundschule in Schieflage. Das 45 Meter lange Gebäude sei aufgrund von Bergschäden in einem jahrzehntelangen Prozess um knapp einen Meter zur Seite abgesackt, sagte damals ein Sprecher der Bergbaugesellschaft RAG. Experten richteten die Schule mit Hilfe von Hydraulikstempeln wieder auf. Anschließend musste das Gebäude mit Baumaterial unterfüttert werden. Durch den Bergbau oder dessen Folgen ausgelöste Beben spüren die Bewohner der Region mehrmals im Jahr. Im Herbst 2014 wurde das ganze nördliche Ruhrgebiet durch ein vom Bergbau ausgelöstes Erdbeben erschüttert. Das Deutsche Geoforschungszentrum in Potsdam meldete ein Beben mit einer Stärke von 3,5 auf der Richterskala. Die Erschütterung ging nach RAG-Angaben vom Kohleabbau des Bergwerks Auguste Victoria bei Haltern-Lippramsdorf/Eppendorf aus. Dort wurde zu diesem Zeitpunkt in einer Tiefe von rund 1300 Metern Kohle abgebaut. Erst in diesem Herbst musste im Essener Süden die S-Bahnlinie 6 wegen eines Bergbauschadens für längere Zeit gesperrt werden. Nach Angaben der Bahn war eine Wand, die den Bahndamm zwischen den Stationen Essen-Stadtwald und Essen-Werden stützt, beschädigt. Die Züge der vielgenutzten Strecke zwischen Essen und Düsseldorf konnten vorläufig nicht mehr auf dem Abschnitt zwischen Essen-Kettwig und Essen-Hauptbahnhof fahren.

»2018 schließen die letzten Zechen, die Folgen des Steinkohlebergbaus werden weit darüber hinaus massiv spürbar bleiben«, erklärte Brems weiter. »Immer wieder sorgen Tagesbrüche für folgenschwere Schäden an Gebäuden, Zugstrecken, Straßen und Autobahnen.« In den Jahren 2005 bis 2016 habe es in Nordrhein-Westfalen fast 1900 Tagesbrüche gegeben, so Brems.

Die Gesamtfläche des vom oberflächen- und tagesnahen Bergbau betroffenen Gebietes in NRW gibt das Ministerium mit rund 267 Quadratkilometern an. Besonders im Fokus ist aus Sicht der Grünen Bochum, wo potenziell 43 Prozent der Fläche betroffen sind. dpa/nd

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