Eine schrecklich nette Familie

Österreichs Zukunft

  • Richard Schuberth
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist vollbracht. Mit der neuen Regierung aus FPÖ und ÖVP ist Österreich im Geiste mit Ungarn wiedervereint: Neoliberalismus und Faschismus im Honeymoon. Heer, Polizei, Geheimdienste unterstehen der FPÖ, die Agenden Deregulierung und Umverteilung nach oben übernehmen die Leute vom Fach. Das winzige Segment, das sich in Österreich als links bezeichnen kann, jammert sich mit der üblichen Mischung aus Selbstüberschätzung und Katholizismus an, was es bloß falsch gemacht habe, dass 60 Prozent der Bevölkerung gegen die eigenen Interessen votierten. Der linksliberale Mittelstand indes fühlt sich in seiner dünkelhaften Auffassung von der Dummheit der Massen bestätigt, an der nur eines nicht stimmt, nämlich dass er klüger sei, was sein verzerrtes Bild emanzipatorischer Fronten zwischen retardierten Prolorassisten und weltoffenen Kulturkonsumenten, zwischen heteronormativen Dirndlträger_innen und Zungengepiercten, zwischen Ungebildeten und Halbgebildeten permanent widerlegt. Wenigstens bleibt ihm der Ausweg in die typisch westeuropäische Illusion versperrt, die neoliberalen Eliten, jene illegitimen Väter der rechten Barbarei, als zivilisatorischen Schutz vor dieser misszuverstehen, denn die feiern in Österreich gerade Party mit den Barbaren.

Wie das Projekt eines »linken Populismus« in die Hose gehen kann und muss, indem es den einfachen Mann von der Straße abholen will und dann neben ihm - daneben eben - stehen bleibt, hat der Ex-Grüne Peter Pilz bewiesen, der in seinem Buch »Heimat Österreich« Verständnis für die Ängste autochthoner Frauen vor grapschenden Ausländern schürte, ehe er vor einem Monat durch die metoo-Kampagne als Mehrfachgrapscher von der politischen Bildfläche gespült wurde.

Es wird Zeit, der Realität in ihr irres, zitterndes Auge zu blicken. Die österreichische Folklorevariante des Rätsels liegt nicht darin, warum die Abgehängten rechts und neoliberal wählen, sondern warum die noch nicht Abgehängten - Österreich verfügt im europäischen Vergleich noch über ein relativ intaktes Sozialsystem - um jeden Preis abgehängt werden wollen. Denn Sebastian Kurz hat nie verheimlicht, dass er so etwas wie Hartz IV einführen wolle, und mit der gesamten Demütigungspalette freimütig Wahlwerbung gemacht. Das Mandat für einen autoritären Neoliberalismus ist mitnichten die Abstrafung eines liberalen Neoliberalismus, wie Linke in Anbetracht von Trump, Brexit und AfD sich gerne ins Fäustchen lügen, nur um zumindest ihr Wunschbild der zumal schlafenden Rationalität ihrer proletarischen Kleinbürger zu retten.

Die österreichische Wahrheit ist derb, simpel und unerträglich. Das Angebot, das die nun regierenden Mächte dem kleinen Mann, der kleinen Frau gemacht haben, lautete in etwa so: Wir beliefern dich mit Heimat, der Identifikation mit geschniegelten Gewaltburschen und pickellosen Bürgerbubis, dem befreienden Gefühl harter Aufräumer, und dann tun wir dir weh, sehr weh sogar. Doch bleiben wir durch deine Erniedrigung in Körperkontakt und somit eine schrecklich nette Familie. Aber kleines Bonbon: Wir tun den Anderen, dem Abschaum, den Ausländern, Moslems, Hirnwichsern, Künstlern, Sozialschmarotzern doppelt so weh wie dir ... Deal? Und das Volk jubelte.

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