Steine auf dem Weg

Streik der Trucker in Russland und Probleme für ihren Präsidentschaftskandidaten

  • Ute Weinmann, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.

Für den 15. Dezember hatte die Vereinigung russischer Transportunternehmer (OPR) einen landesweiten Warnstreik angekündigt, am Freitag zogen die Streikposten auf. Anders als im vergangenen März, als die bislang größte Aktion der OPR angelaufen war, gilt dieses Mal ein zeitliches Limit von zehn Tagen. Danach stehen die Neujahrsfeiertage an.

Dass dennoch jetzt gestreikt wird, hat gleich mehrere Gründe. Zum einen kündigte die Regierung unlängst verschärfende Maßnahmen bei Nichtzahlung von Mautgebühren für Lkw ab zwölf Tonnen an. Zum anderen begann Mitte Dezember die aktive Vorlaufphase der Präsidentschaftswahlen, die für den 18. März 2018 anstehen.

Russische Trucker haben in den vergangenen zwei Jahren mehrfach unter Beweis gestellt, dass mit ihnen gerechnet werden muss. Nach Einführung eines Mautsystems mit dem poetischen Namen »Platon« im Herbst 2015 sorgten sie mit lang anhaltenden Protesten erstmals für Schlagzeilen. Eines der Resultate war die Gründung der OPR, um koordiniert vorgehen zu können. Es gelang ihnen zu erreichen, dass die ursprüngliche pro Kilometer angesetzte Summe gekürzt und später in einem geringeren Umfang als geplant angesetzt wurde. Derzeit liegt sie bei drei Cent.

Das mag wenig erscheinen, doch angesichts der zahlreichen Abgaben und Steuern plus Wartungskosten für meist schon etwas ältere Lkw steigt die finanzielle Belastung für Kleinunternehmer und Selbstständige. Langfristig bedeutet dies eine Verdrängung vom Markt und führt zur Monopolisierung des Logistikbereichs durch wettbewerbsfähige Großspeditionen. Dazu zählt beispielsweise das Unternehmen »Delowyje linii« der Vorsitzenden des Föderationsrates, Walentina Matwijenko.

Im Oktober brachte die Regierung ein Gesetzesprojekt ein, das den Strafrahmen für Platon von 70 auf knapp 300 Euro drastisch erhöht. Außerdem soll die Verjährungsfrist von drei auf sechs Monate hochgesetzt werden. Längst nicht alle Fahrer zahlen bislang den vollen Beitrag. Wer die Strecken kennt, schaltet den Zähler, wofern vorhanden, erst wenige Kilometer vor den Messständen ein. Doch vor scharfen Kontrollen ist niemand gefeit. Ob sich die Maut hingegen ökonomisch rechnet, wo die Regierung nicht einmal genaue Zahlen vorlegen kann, wie viele Lkw als kommerzielle Dienstleister auf den Straßen unterwegs sind, ist fraglich. »Wir wollen unsere Position hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit dieses Verfahrens öffentlich machen«, sagte Maria Pasuchina, Koordinatorin der OPR aus Murmansk, dem nd. »Und es soll uns dieses Mal niemand nachsagen, dass wir nicht schon vor den anstehenden Neuerungen laut protestiert haben.«

Als Teil der Kampagne plante die OPR, ihren Vorsitzenden, Andrej Baschutin, als Präsidentschaftskandidaten aufzustellen. Zumal es der OPR um eine gesamte Reform der Logistikbranche geht. Doch die Behörden legen den Truckern zahlreiche Steine in den Weg. Am 1. Dezember stufte das Justizministerium die OPR als »ausländischen Agenten« ein. Formale Voraussetzung dafür war eine Geldüberweisung aus Deutschland. Laut Gesetz kann der Organisation nun die Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen verweigert werden, weshalb ein Aufruf an wohlwollende Nichtmitglieder ging, Baschutin auf einer extra einberufenen Versammlung als Kandidaten einer Bürgerkoalition zu benennen.

Noch vor Neujahr sollte das Treffen über die Bühne gehen, doch der Hauptprotagonist und ein Koordinator der OPR aus St. Petersburg, Sergej Wladimirow, wurden am 11. Dezember außerhalb der Stadt festgenommen und zu je 15 Tagen Verwaltungsarrest verurteilt. Der Vorwurf gegen sie lautete Fahren ohne Führerschein. Ein weiterer Versuch ist für Januar geplant.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.