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Diätenerhöhung? Setzt die Lobbyisten auf Diät!

Roberto J. De Lapuente zur Empörung über die Diäten-Erhöhung des Bundestags

  • Roberto J. De Lapuente
  • Lesedauer: 4 Min.

Deutschland hat momentan keine Regierung. Es hat eine Geschäftsführung. Aber auch ohne amtliche Regierung gehen die Geschäfte voran. Vor vier Jahren, als sich die Sondierungsgespräche zwischen Union und Sozialdemokraten hinzogen, konnte man an dieser Stelle noch daran erinnern, dass Stillstand ja auch Fortschritt sein könne. Eine Gnadenfrist sozusagen. Auf diese Weise kann man heute nicht mehr ganz so gut argumentieren. Denn auch ohne Regierung gibt es kaum ein Durchatmen. Die Verschlimmbesserung des Alltags geht einfach weiter. Ob nun Glyphosat genehmigen oder Diäten ausbauen: Postdemokratie rules! Besonders die Diätenerhöhung während des hiesigen Interregnums erzeugte Wut. Da seien sich die Politiker natürlich einig, da fänden sie Mehrheiten, wo sie sonst keine sähen. Das sei halt wieder mal typisch.

Natürlich war dieser Umstand das Thema bei »Bild«. Die »Zeitung des kleinen Mannes«, als die sie sich sieht, betrachtet sich ja bei der Auswahl der Themen durchaus nicht als Medium kleiner Leute. Man begrüßt seit Jahren jeden Ansatz von Sozialabbau und basht ständig gegen Hartz-IV-Leistungsberechtigte. Dass man aber das Image als Zeitung kleiner Leute aufrechterhält, dazu ist dann ein Thema wie eine Diäten-Erhöhung, zumal in Zeiten fehlender Regierungsmehrheiten, geradezu prädestiniert. Und so listete man unverzüglich alle 504 Abgeordneten auf, die für eine Erhöhung ihrer Bezüge stimmten.

Die Empörung ist nachvollziehbar, auch wenn sich »Spiegel Online« abfällig darüber äußerte. Das sei doch bloß »Gejammer«, nichts weiter als der »ewige Raffke-Vorwurf«. Abgeordnete sollten nämlich ordentlich bezahlt werden. Ihr Arbeitspensum sei hoch, die Verantwortung riesig und in der freien Wirtschaft verdiene man obendrein wesentlich besser. Der billige Populismus, dass Mandatsträger lediglich rumhocken, ist ja tatsächlich kurzsichtig - da hat SPON recht. Daher eine Buchempfehlung: Lassen Sie sich zu Weihnachten Roger Willemsens letztes Buch »Das Hohe Haus: Ein Jahr im Parlament« schenken. Nach der Lektüre kann man nicht mehr behaupten, dass MdBs ihr Geld fürs Nichtstun bekommen.

SPON hat aber nicht ganz recht. Auch wenn es Erklärungen gibt, warum erhöhte Diäten rechtens sind, so ist Empörung angebracht. Natürlich nicht die Empörung, die die »Bild« billig anfacht und die die Stammtische dieser Republik mit Tobsucht anreichert. Ja, es trifft auf einer gewissen Metaebene durchaus zu, dass Abgeordnete Verantwortung tragen. Nach Dekonstruktion dieser Behauptung bleiben alle Fragen offen. Denn wir reden hier von einer Verantwortung ohne Konsequenzen. Bewusst in Kauf genommene Fehlentscheidungen werden nicht geahndet. Wer sich durch Lobbyisten beeinflussen lässt, kann am Ende immer noch kackfrech behaupten, er habe frei nach Gewissen entschieden. Dann ist jeder Vorwurf vom Tisch.

Diäten-Erhöhungen gehen ja in Ordnung, wenn man sie an etwas koppeln würde, was seit so langer Zeit überfällig ist: An Gesetze gegen aggressiven Lobbyismus. Wer sich selbst die Bezüge aus öffentlichen Geldern erhöhen kann, der ist der Öffentlichkeit penible Transparenz schuldig. Dazu braucht es diverse Instrumente: Bannmeilen für Lobbyisten in Regierungsvierteln, eine Offenlegung aller Nebeneinkünfte auf Heller und Pfennig, Dokumentationspflicht aller Abgeordnetentreffen mit Lobbyisten und ein juristischer Spielraum, augenfällig durch Beeinflussung entstandene Entscheidungen strafrechtlich zu prüfen. Jemand wie Christian Schmidt sollte sich jedenfalls nicht derart immun bewegen dürfen.

Und natürlich fehlt noch das Herzstück der Lobbyismusregulierung: Eine Vakanzregelung für ausscheidende Politiker, die dann nicht mehr nahtlos in die Wirtschaft verwechseln könnten, sondern erst nach zwei bis vier Jahren ihre berufliche Neuausrichtung in Angriff nehmen dürften. Nach einem Zeitraum, der mit einiger Wahrscheinlichkeit verspricht, dass Beziehungen eingestampft wurden, um faule Netzwerke zu unterbinden.

Wie gesagt, Diäten zu erhöhen, damit sollte man in einer demokratischen Republik nun wirklich umgehen können. Dazu müssen jedoch die Rahmenbedinungen passen. Wenn die installiert wurden, sind hohe Diäten ja als Schutzpfand durchaus vertretbar. Solange wir allerdings Lobbyismus als politische Normalität hinnehmen, sind steigende Diäten kritikabel. Denn sie stärken die Postdemokratie.

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