Länderübergreifende Abschiebehaft

Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern betreiben künftig gemeinsam Einrichtung

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 2 Min.

In Schleswig-Holstein soll eine Abschiebehafteinrichtung geschaffen werden, die auch von Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern betrieben wird. Das teilte das CDU-geführte Kieler Innenministerium mit. Dafür ausgeguckt wurde die frühere Marinekaserne in Glückstadt an der Elbe, die zuletzt schon als Flüchtlings-Erstaufnahme-Standort diente, aber wegen rückläufiger Flüchtlingszahlen in den »Leerstandsbetrieb« überführt wurde.

Die Vereinbarung der drei Nord-Länder für eine Einrichtung mit 60 Plätzen beruht auf einem Vorstoß aus der Kieler Vorgängerregierung, als Innenminister Stefan Studt (SPD) sogar gerne noch Niedersachsen und Bremen für eine Großlösung gewonnen hätte. Aus CDU-Kreisen war zu erfahren, dass die jetzige Drei-Länder-Regelung durch eine Abmachung zwischen den Regierungschefs Daniel Günther (Schleswig-Holstein/CDU), Olaf Scholz (Hamburg/SPD) und Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern/SPD) zustande kam.

Im November 2014 hatte Schleswig-Holstein sein Abschiebegefängnis in Rendsburg geschlossen. Seit Ende Oktober 2016 dürfen fünf von 20 Plätzen eines Abschiebezentrums am Hamburger Flughafen mitgenutzt werden. Über die Sinnhaftigkeit des dortigen Gewahrsams wird bis heute gestritten. Jährliche Fixkosten von 2,28 Millionen Euro sind nicht von Pappe. Das nördlichste Bundesland beteiligt sich mit rund 650 000 Euro. Dieser Airport-Abschiebespot soll laut Innenministerium in Kiel beibehalten werden. Details über die Glückstädter Pläne werden nun hinter den Kulissen verhandelt. Das Land Schleswig-Holstein hat mit dem Besitzer der ehemaligen Marinekaserne einen mehrjährigen Mietvertrag geschlossen. Wann genau Nägel mit Köpfen bezüglich Glückstadt gemacht sind, steht nicht fest, denn eine entsprechende Vorlage muss erst in den drei Landesparlamenten behandelt werden.

Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) betont, dass es sich bei einem Abschiebefall um keine Strafhaft handele. Nach außen sei die Anlage geschlossen und bewacht, innen hätten die Betroffenen alle möglichen Freiräume. Daher verstehe er die Flüchtlingspolitik der Jamaika-Koalition auch als zuerst von Humanität geprägt. Von Schleswig-Holsteins Grünen hieß es, sie seien gegen eine Abschiebehafteinrichtung, sie würden sich aber gemäß dem Koalitionsvertragskompromiss verhalten.

Schleswig-Holsteins Flüchtlingsbeauftragter Stefan Schmidt hat aufs Schärfste gegen die geplante Einrichtung protestiert: »Meiner Einschätzung nach steht sie nicht im Verhältnis zu dem gewünschten Ziel einer Aufenthaltsbeendigung.« Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der LINKE-Fraktion in Hamburg, befürchtet wie Schmidt, dass die geplante neue Einrichtung im Nordverbund eine Sogwirkung erzeugen wird und mit Inbetriebnahme »noch mehr Menschen inhaftiert werden, ohne dass sie sich irgendetwas haben zuschulden kommen lassen«.

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