Das koloniale Erbe

Humboldt-Forum

  • Nada Weigelt
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich will wissen, wie viel Blut von einem Kunstwerk tropft.« So drastisch formulierte die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy im Sommer ihre Erwartung, wie das geplante Humboldt-Forum in Berlin mit seinem kolonialen Erbe umgehen soll. Sie löste damit eine Debatte um ein dunkles Kapitel der deutschen Vergangenheit aus.

Das Humboldt-Forum ist zwar das Vorzeigeprojekt der deutschen Museumslandschaft. Aber im Grunde beschreibt die Wissenschaftlerin mit ihrer Forderung genau, welche große Aufgabe auch auf viele andere Museen in Deutschland zukommt. Denn es gibt wohl kaum eine ethnologische, historische oder stadtgeschichtliche Sammlung, die von der heiklen Frage nach der Herkunft ihrer Kunstschätze nicht betroffen ist.

»Wir haben uns jahrzehntelang um die Aufarbeitung der Gräuel der NS-Zeit bemüht. Alles, was davor lag, ist völlig in den Hintergrund getreten«, sagt Prof. Wiebke Ahrndt, Vizepräsidentin des Deutschen Museumsbunds.

Das von ihr geleitete Haus in Bremen setzt sich mit den Spuren der kolonialen Vergangenheit auseinander.

»Wir kennen viele Gräuelgeschichten über Plünderungen, Strafexpeditionen und Raub während der Kolonialzeit. Wie vieles legal erworben wurde, das ist noch ein riesiges Forschungsfeld«, sagt Ahrndt.

Mit der Ausstellung »Der Blinde Fleck« zeigte die Bremer Kunsthalle bis November eine Reise in das 19. und frühe 20. Jahrhundert, als selbst Künstler wie Emil Nolde und Ernst Ludwig Kirchner in ihren Gemälden rassistische Vorurteile durchscheinen ließen.

Das Deutsche Historische Museum in Berlin untersuchte in der Schau »Deutscher Kolonialismus« die vielfältigen Herrschaftsbeziehungen, die von der Ausübung alltäglicher Gewalt bis hin zum Kolonialkrieg und Völkermord in Namibia reichten.

Ein besonders sensibles Kapitel ist der Umgang mit menschlichen Knochen und Skeletten, die oft als Kriegsbeute oder aus Grabplünderungen nach Deutschland kamen.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin hat begonnen, zusammen mit Wissenschaftlern aus Ruanda, Tansania und Burundi, die Herkunft von etwa 1100 menschlichen Schädeln aus der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika zu erforschen, die um 1900 von Sammlern zusammengetragen wurden - Rückgabe nicht ausgeschlossen.

Im kommenden Jahr will der Museumsbund vergleichbare Empfehlungen auch für andere Objekte herausgeben, die aus kolonialem Unrecht stammen können.

Und wie reagiert das Humboldt Forum, an dem sich die Debatte in diesem Jahr entzündete? Die Provenienzforschung gehöre zur DNA des geplanten Zentrums der Weltkulturen in Berlin, versicherten die Gründungsintendanten Neil MacGregor, Horst Bredekamp und Hermann Parzinger schon im Sommer.

Aber Parzinger, der als Chef der Preußenstiftung mit den ethnologischen Sammlungen den Löwenanteil der künftigen Ausstellungsobjekte beisteuert, räumt auch ein: »Für viele Stücke braucht es eine auf Jahre angelegte Erforschung. Wenn ich das mit der NS-Zeit vergleiche, sind wir da noch ganz am Anfang.« dpa

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