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  • Nach Tötung einer 15-Jährigen

Bürgermeister von Kandel warnt vor Fremdenfeindlichkeit

Rechte Kampagne im Internet nach Messerattacke eines afghanischen Geflüchteten auf Ex-Freundin

  • Lesedauer: 3 Min.

Baden-Baden. Nach der tödlichen Messerattacke auf eine 15-Jährige im rheinland-pfälzischen Kandel mahnt Bürgermeister Volker Poß (SPD) zur Ruhe. Obwohl es sich bei dem Tatverdächtigen um einen unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten aus Afghanistan handelt, sei vorschnelles Handeln fehl am Platz, sagte Poß am Freitag im Südwestrundfunk. »Fremdenfeindliche Parolen in die Welt zu setzen, ist im Moment der falsche Weg«, sagte der Kommunalpolitiker.

Lesen Sie zu diesem Thema auch unseren Kommentar: »Rassistisch, wer nur über den Femizid von Kandel berichtet«

Der Bürgermeister reagierte damit auf vereinzelte E-Mails, die er bereits erhalten habe: »Da ist von Politikversagen die Rede. Da macht das Wort Abschiebung die Runde, und es werden Konsequenzen im Umgang mit Geflüchteten eingefordert.« Das weitere Vorgehen müsse aber in Ruhe überlegt werden. Im Vordergrund stünden im Moment das tiefe Mitgefühl und die große Anteilnahme, die der Familie des Opfers gelten würden.

In sozialen Netzwerken nutzen die Alternative für Deutschland und andere Rechte wie der Identitären-Aktivist Martin Sellner die Tat zur Stimmungmache gegen Geflüchtete. Auf Facebook erweckte letzterer den Eindruck alle Afghanen würden das Frauenbild des Täters teilen. Trotz Protesten Sellners hat Facebook den Beitrag offenbar wegen Diskriminierung gelöscht. Auch AfD-Chefin Alice Weidel versucht online die Tat politisch zu nutzen und beklagt sich über »pietätlose Staatsmedien«.

Einige Medien wie die Tagesschau hatten sich mit der Nennung des Hintergrundes des Täters zurückgehalten, weil es sich um eine Beziehungstat handelt und Jugendliche unter besonderem Schutz stehen. Damit handelte die Redaktion der Fernsehsendung gemäß dem Pressekodex, der die Nennung des Hintergrundes des Täters nur bei einem »begründeten öffentlichen Interesse« vorsieht.

Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich laut Medienberichten um den Ex-Freund der getöteten 15-Jährigen. Die Tat ereignete sich in einem Drogeriemarkt. Die Eltern des Opfers hatten den Jungen bereits Mitte Dezember wegen Beleidigung, Nötigung und Bedrohung angezeigt. Ob die Polizei in dem Fall früher hätte eingreifen müssen, wollte der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Kandel nicht weiter kommentieren. »Die Polizei hat ja eingegriffen. Der Täter war ja bekannt gewesen. Die Polizei hat reagiert«, sagte Poß.

Ministerium: Altersnachweis nicht möglich

Nach der Messerattacke sind Zweifel am Alter des Tatverdächtigen laut geworden, der nach Behördenangaben ein ebenfalls 15-jähriger Flüchtling aus Afghanistan ist. Fragen zur Altersbestimmung in diesem Fall könne nur die Staatsanwaltschaft beantworten, teilte am Freitag das Integrationsministerium in Mainz mit. Eine Sprecherin betonte jedoch: »Es gibt bisher keine verlässliche wissenschaftliche Methode, um das aktuelle Lebensalter eines Menschen festzustellen.«

Die Spannbreite einer ärztlichen Altersfeststellung betrage ein bis zwei Jahre nach oben und unten, erklärte das Ministerium und verwies dabei auf Stellungnahmen des Deutschen Ärztetages. Eine Altersdiagnostik bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen mittels radiologischer Verfahren und einer Genitaluntersuchung werde von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DKGJP) abgelehnt. Neben ethischen Bedenken sei die wissenschaftliche Beweiskraft fraglich. Agenturen/nd

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