»An manchen Tagen herrscht ein richtiger Krieg«
Hessische Polizei bekämpft Autobahnraser - auch länderübergreifend mit Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz
An der zweispurigen Straße zeigen Schilder deutlich Tempo 70 an. Nicht alle Autofahrer halten sich an die Höchstgeschwindigkeit, nur wenige aber brechen das Tempolimit so spektakulär wie der Fahrer eines grauen Sportwagens. Er beschleunigt donnernd und überholt. Gleich ist er auf der Autobahn. Der Fahrer ahnt nicht, dass er eben an einer Zivilstreife der hessischen Polizei vorbeigerauscht ist.
Oberkommissar Sascha Bartels von der Autobahnpolizei in Lorsch blickt kurz zu seinem Kollegen auf dem Beifahrersitz. Dann beschleunigt er den 300 PS starken Spezialwagen und nimmt die Verfolgung auf. Auf dem kleinen Bildschirm im Armaturenbrett ist zu erkennen, dass der Sportwagen mit 140 Stundenkilometern unterwegs ist. Der Strafzettel dürfte teuer werden. »Auch wenn das manche Fahrer anders sehen, uns geht es nicht darum, Kasse zu machen, sondern um Verkehrserziehung«, sagt der Beamte auf dem Beifahrersitz. Sein Name ist Oliver Bartels.
Er trägt zwar den gleichen Nachnamen wie sein Kollege am Steuer - verwandt sind sie aber nicht. Ein effizientes Team bilden sie dennoch, wenn sie zwischen Südhessen und Nordbaden Drängler und Raser auf Autobahnen und Bundesstraßen stellen. Wie die Männer von der Polizeidienststelle Lorsch, so sind auf den Autobahnen täglich noch weitere Polizisten mit Spezialautos im Einsatz. Sie messen das Tempo anderer Autos während der Fahrt und filmen Verstöße. Wie viele solcher Polizeiautos - ausgestattet mit Kameras und Bildschirm - durch Hessen fahren, will das Innenministerium in Wiesbaden nicht mitteilen. Aus »einsatztaktischen Gründen«, wie es heißt.
Allein die Polizisten aus Lorsch legten auf einer einzigen Tour zwischen 350 und 400 Kilometer zurück, sagt Markus Sachs. Der 48 Jahre alte Hauptkommissar leitet die Einheit mit fünf Beamten. Wie er erzählt, rücken sie etwa 280 Mal im Jahr aus. Aggressive Fahrweise und PS-starke Autos bildeten oftmals eine gefährliche Kombination auf den Schnellstraßen, berichtet Sachs: »An manchen Tagen herrscht ein richtiger Krieg auf den Autobahnen.« Gegen ein generelles Tempolimit von 130 Stundenkilometern hätte er jedenfalls nichts.
Die Beamten aus Lorsch stehen auch für die länderübergreifende Zusammenarbeit mit Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. So rücken die Südhessen mit der Polizei aus Rheinland-Pfalz gelegentlich gemeinsam zu Kontrollen aus. Für die badischen Kollegen sind die Hessen wiederum auf der A 6 bis Mannheim unterwegs. Dafür fahren die Beamten aus dem Nachbarland auf der Autobahn 659 in Richtung Hessen. Die Zusammenarbeit ist vor allem praktischer Natur, sie richtet sich nach der besseren Erreichbarkeit.
Ausreden, Anfeindungen oder vorgespielte Ahnungslosigkeit - die Beamten müssen sich von den gestoppten Autofahrern vieles anhören. Nicht nur Raser und Drängler passen in ihr Beuteschema. Bartels und Bartels haben auch Alkohol- und Drogentests dabei. Fast wie Betrunkene gelten mittlerweile auch Fahrer als Gefahr, die während ihrer temporeichen Reise das Smartphone bedienen. »Meinem Eindruck nach provoziert das immer öfter schwere Unfälle«, sagt Sascha Bartels.
Wie wichtig die Arbeit der Polizisten ist, zeigen aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Stand 22. Dezember). 2017 starben auf den Straßen Hessens in den ersten zehn Monaten 186 Menschen - das sind vier mehr als im Jahr 2016. Im Nachbarland Baden-Württemberg starben von Januar bis Oktober insgesamt 381 Menschen im Verkehr. Das waren 25 Tote mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. 2017 kamen bundesweit in den ersten zehn Monaten des Jahres 2693 Menschen im Verkehr um.
Zurück auf der Autobahn. Während Sascha Bartels rasant den Sportwagen verfolgt und das System weitere Geschwindigkeitsüberschreitungen dokumentiert, checkt sein Beifahrer Oliver Bartels im Computer, wer der Fahrzeughalter ist und ob gegen ihn etwas vorliegt. Schließlich heftet der Beamte ein blinkendes Blaulicht auf das Dach des Wagens. Der Fahrer des Sportwagens muss anhalten, wird kontrolliert - und erhält einen Strafzettel über mehrere hundert Euro.
Außerdem muss er mit einem Fahrverbot von mindestens zwei Monaten rechnen. Warum er so schnell gefahren ist? »Weil ich Lust dazu hatte«, lautet die Antwort des 29 Jahre alten Mannes. Immerhin keine Ausrede. Andererseits dürfte die dreiste Antwort teuer werden. »Denn daraus lässt sich Vorsatz für die massive Geschwindigkeitsübertretung schließen«, sagt der 36 Jahre alte Sascha Bartels. Dadurch verdopple sich unter Umständen die Strafe. dpa/nd
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