Patenschaften für Wörter und Satzzeichen

Das Kleist-Museum in Frankfurt (Oder) bittet um Spenden, um einen Brief des Dichters ankaufen zu können

  • Jeanette Bederke
  • Lesedauer: 3 Min.

Es sind lediglich sieben Zeilen, eng und nur schwer lesbar geschrieben. Die Buchstaben scheinen nach rechts umzufallen. Doch das vergilbte Schriftstück, das mit den Worten »Und nun küsse in meinem Namen« beginnt, ist wertvoll. Stammt es doch von dem Dichter Heinrich von Kleist, der 1803 von Leipzig aus an seine Halbschwester Ulrike in Frankfurt (Oder) schrieb. Das Kleist-Museum in seiner Geburtsstadt möchte diese Handschrift erwerben. In Ermangelung eines eigenen Aufkaufetats hat es die Bevölkerung um Mithilfe gebeten. Bis Ende 2017 vermittelte das Museum unter dem Motto »Ein Stück Kleist« für 35 bis 150 Euro Patenschaften für Wörter, Zahlen und Satzzeichen des Briefes. Die Paten erhalten ein Faksimile des Briefabschnittes inklusive einer Umschrift, aufbereitet in einem Passepartout.

»Die Resonanz darauf ist klasse«, sagt Museumssprecherin Anett Handke. »Viele Interessenten, und das sind nicht nur Frankfurter, erwerben die Patenschaft.« Der Brief endet mit der Unterschrift »Heinrich«. Die hat sich Oberbürgermeister Martin Wilke (parteilos) für 300 Euro gesichert. Das sei für ihn Ehrensache gewesen. »Der Brief ist eine Rarität und um Raritäten muss man kämpfen«, sagt er.

Die Worte sind inzwischen alle vergeben. Das Museum verlängerte die Aktion aber bis zum 3. Januar. Wer mindestens 50 Euro spendet, erhält auch noch ein Faksimile.

Die sieben Kleist-Zeilen sind nur der Schlussteil eines insgesamt dreiseitigen Briefes. »Ulrike von Kleist hat diese Zeilen nebst der Originalunterschrift einer Freundin geschenkt. Sie galten mehr als 100 Jahre lang als verschollen«, schildert Museumsleiterin Hannah Lotte Lund. Aus Privatbesitz seien sie kürzlich jedoch in ein Wiener Antiquariat gelangt. Wie genau und warum sie letztlich in der österreichischen Hauptstadt landeten, soll Gegenstand eines Forschungsprojektes am Kleist-Museum werden. Lund hat die Wiener, die auch ein Auktionshaus betreiben, überzeugen können, mit dem Verkauf noch zu warten. »Der Briefabschnitt kostet 35 000 Euro. Zwei Gutachten belegen, dass er tatsächlich echt ist«, sagt Lund, die sich mit diesem Beweis an die Kulturstiftung des Bundes wandte.

Die Stiftung übernimmt ebenso wie das Brandenburger Kulturministerium jeweils ein Drittel der Ankaufskosten. Das letzte Drittel muss das Museum selbst aufbringen. Die Spendenaktion zeige, dass sich Menschen auch heute noch von Kleist begeistern lassen, meint die Literaturwissenschaftlerin. Aufgabe des Museums sei es nunmehr, noch besser zu vermitteln, was die Einrichtung genau tue und warum.

Sobald die letzten benötigten Cents beisammen sind - und Hannah Lotte Lund ist da zuversichtlich - will die Museumschefin nach Wien fahren und das wertvolle Schriftstück »nach Hause holen«. Ausgestellt werden sollen die sieben Zeilen von April an. Der Rest des dreiseitigen Briefes an Ulrike von Kleist befindet sich in der Jagiellonska-Bibliothek im polnischen Krakau, so wie die meisten der heute noch erhaltenen 172 Handschriften Kleists. Ursprünglich waren sie im Besitz der Berliner Staatsbibliothek, die ihre Sammlung wertvoller Schriftstücke während des Zweiten Weltkrieges aus Angst vor Zerstörung nach Breslau ausgelagert hatte. Erst in den 1980er Jahren wurde bekannt, dass die Handschriften noch existieren.

Das Kleist-Museum hat acht Handschriften des Dichters in seinem Bestand, manche davon sind Leihgaben. Es gibt noch Hoffnung, dass weitere Schriftstücke wieder auftauchen. »Denn wir kennen den Wortlaut von insgesamt 235 Kleist-Briefen«, schildert Handke. »Manche sind sicher in Privatbesitz wie bisher auch der jetzt in Wien aufgetauchte Siebenzeiler.« dpa

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