Opfer

Ein weißer ehemalige Google-Mitarbeiter sieht sich diskriminiert - ein Paradebeispiel eingebildeter Diskriminierung

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 2 Min.

James Damore wäre so gerne ein Opfer. Deswegen verklagt er seinen ehemaligen Arbeitgeber, den Internetriesen Google. Doch wer jetzt glaubt, dass es sich dabei um einen gerechten (Klassen-)kampf eines Davids Damore gegen den Goliath Google handelt, der irrt.

Stattdessen ist Damores Klage ein wunderbares Beispiel, warum der streitbare slowenische Philosoph Slavoj Žižek es für problematisch hält, dass sich bei linken Diskussionen über Diskriminierung und Unterdrückungsmechanismen alle angeblich auf eine Opferposition berufen. Denn »selbst die Anhänger der Alt-Right-Bewegung, die sich über den Terror linksliberaler Political Correctness beschweren, stellen sich mittlerweile als Beschützer einer bedrohten Minderheit dar«, schrieb Žižek.

Nun fühlt Damore sich durch die Kündigung von Google als konservativer, weißer Mann diskriminiert. Der Konzern wende »illegale Einstellungsquoten an, um den erwünschten Prozentsatz von Frauen und bevorzugten Minderheiten zu erfüllen«, heißt es in der am Montag öffentlich gemachten Klage.

Der Grund für die Kündigung ist ein von Damore verfasstes zehnseitiges Pamphlet, das letzten August zunächst anonym auf dem Blog »Gizmodo« veröffentlicht wurde. Neben Beschwerden über die Antidiskriminierungsrichtlinien des Konzerns stellte der Absolvent der Eliteuniversität Harvard darin eine zweifelhafte These auf: Der Grund für den geringen Frauenanteil im IT-Bereich oder in Chefetagen sieht er weniger im ausgeprägten Sexismus der Branche oder in soziologischen Gründen, sondern vielmehr in angeblichen biologischen Unterschieden zwischen den Geschlechtern. Die vorherrschende liberale Ideologie bei Google verhindere jedoch eine offene Diskussion darüber.

Das Echo in den sozialen Plattformen auf Damores krude Ansichten ließ folglich nicht lange auf sich warten. »Wenn man an Privilegien gewöhnt ist, fühlt sich Gleichheit wie Unterdrückung an«, schrieb etwa eine Nutzerin beim Kurznachrichtendienst Twitter.

Es gibt vor allem also zwei Arten von Diskriminierung: tatsächliche und eingebildete.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.