Noch kein Happy End
Erste Lockerungsübungen zwischen Warschau und Brüssel nach Kabinettsumbildung in Polen
Als am Dienstagmittag die Mitglieder der polnischen Regierung den von Journalisten belagerten Präsidentenpalast betraten, um vor Staatsoberhaupt Andrzej Duda ihren Amtseid abzulegen, war die Überraschung groß. Zwar wussten alle, dass der seit Dezember amtierende Premier Mateusz Morawiecki einige seiner Regierungsvertreter austauscht, aber keiner ahnte, wie tiefgreifend die Kabinettsumbildung letztlich sein wird.
Acht Minister wurden mit sofortiger Wirkung entlassen oder wechselten das Ressort. Ihre Nachfolger wurden direkt im Anschluss vereidigt. Als größte Sensation gilt der Führungswechsel im Verteidigungsressort. Antoni Macierewicz, Parteivize und engster Vertrauter von Jaroslaw Kaczynski, wurde vorerst in den politischen Ruhestand geschickt. Die Absetzung des umstrittenen Ministers ist jedoch nicht nur als ein Augenzwinkern in Richtung Brüssel zu werten. »Für viele PiS-Wähler ist er schlechtweg unverdaulich geworden«, glaubt der Warschauer Politologe Norbert Maliszewski. Macierewicz wird u.a. für einen geplatzten Helikopter-Deal mit Airbus verantwortlich gemacht. Doch auch am Königstrakt galt der 69-jährige Hardliner seit geraumer Zeit als »persona non grata«. Staatschef Duda ist mit ihm wiederholt aneinandergeraten, verweigerte zuletzt die Ernennung mehrerer Generäle.
Jedoch haben nur wenige Beobachter wirklich erwartet, dass der Präsident sich gegen Kaczynski durchsetzt und den Rückzug des Verteidigungsministers erzwingt. Ebenfalls neu besetzt wurden die Posten für Innen- sowie Außenpolitik, Gesundheit, Infrastruktur, Digitalisierung und Umwelt. Dass Morawiecki selbst sein Amt als Wirtschafts- und Finanzminister niederlegte und dessen »Superministerium« nun auf zwei Ressorts verteilt wurde, geriet hierbei wahrlich zur Nebensache. Am Dienstag wurden neben Macierewicz noch zwei weitere »Scharfmacher« ihres Amtes enthoben. Der abdankende Umweltminister Jan Szyszko wird mit der aus Brüssels Sicht »rechtslosen« Rodung des geschützten Bialowieza-Urwalds in Verbindung gebracht.
Noch weitaus bedeutsamer für die Schlichtung des Konflikts mit der EU ist indes der Rücktritt des griesgrämigen Chefdiplomaten Witold Waszczykowski, der einen internationalen Kreuzzug an mehreren Fronten führte. Sein Stil war bislang eher von ungestümen Wortkaskaden gegen die EU geprägt. Dort wiederum, wo er es für angebracht hielt, schaltete der 60-jährige postwendend zu einer Eigenschaft um, mit der PiS-Politiker immer wieder ungehemmt auftrumpfen: Ignoranz. Zahlreiche Polen erinnern sich überdies noch an Waszczykowskis Fehltritt vom März 2017, als sich Warschau völlig vereinsamt gegen die Wiederwahl Donald Tusks zum EU-Ratspräsidenten stemmte. Mit verdutztem Gesichtsausdruck und dem miesen Gefühl einer diplomatischen Blamage sagte er anschließend: »Das haben wir nicht erwartet«. Der Nachfolger Jacek Czaputowicz wird in den Medien dagegen als »Mann der leisen Töne« beschrieben und ist womöglich gerade deshalb für seinen neuen Posten prädestiniert.
Die Kabinettsumbildung hat unzweifelhaft bessere Bedingungen für einen »Frieden« mit der EU geschaffen, der jedoch lange noch nicht eingekehrt ist. Es bleibt abzuwarten, welche Positionen Czaputowicz z.B. im Dauerkonflikt um die Flüchtlingsquote einnimmt. Jedenfalls ist der Ton bereits versöhnlicher geworden. Noch am Tag der Regierungssumbildung ist Morawiecki nach Brüssel gereist, wo er gemeinsam mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker die »freundschaftliche Atmosphäre« des Treffens lobte. »Wir wollen keine doktrinäre Regierung sein, müssen aber europäische und lokale Dimensionen zusammenbringen«, sagte der polnische Ministerpräsident. Juncker begrüßte, dass Polen in den letzten Jahren wiederholt Flüchtlinge aus Tschetschenien und der Ukraine aufgenommen habe.
Für viele hat der Dienstag jedoch insbesondere einen Gewinner hervorgebracht: Andrzej Duda. Der Einfluss des Präsidenten auf die personelle Rochade ist gewiss. Regierungsnahe Medien wie die »Gazeta Polska« haben Duda nach der Entlassung des Verteidigungsministers rasch als »Verräter« gebrandmarkt.
Doch ist sein Einfluss wirklich so enorm? Und vor allem: Sind alle »Störenfriede« tatsächlich abgesetzt worden? Das Amt des scheidenden Macierewicz übernimmt der bisherige Innenminister Mariusz Blaszczak, ein treuer Gefolgsmann Kaczynskis. Das Innenressort übernimmt wiederum Joachim Brudzinski, der »Bullterrier aus Szczecin«, der für den Parteichef immer wieder die Kastanien aus dem medialen Feuer holte. In seinem Amt bleiben darf auch Justizminister Zbigniew Ziobro, einer der Frontmänner im internationalen Konflikt um die polnische Rechtsstaatlichkeit. Der polnische Politkrimi hat noch kein Happy End, die gute Nachricht aber ist: die nächsten Folgen werden nicht so emotionsgeladen.
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