Puigdemont bastelt an seiner Wiederwahl
Die beiden großen katalanischen Unabhängigkeitsparteien haben sich auf ein Abkommen geeinigt
Die verworrene Lage zur Regierungsbildung in Katalonien beginnt sich zu klären. Eine Woche vor der Konstituierung des katalanischen Parlaments am 17. Januar, der wie der Termin der Zwangswahlen am 21. Dezember von Madrid festgesetzt wurde, hat sich die Republikanische Linke (ERC) am späten Dienstag mit Junts per Catalunya (Gemeinsam für Katalonien/JxCat) auf ein Abkommen geeinigt, um das Parlamentspräsidium zu bilden. Die ERC-Generalsekretärin Marta Rovira war dazu nach Belgien zum geschassten Exil-Präsidenten Carles Puigdemont gereist. Die ERC meint, es handele sich nur um ein Abkommen über Parlamentspräsidentschaft und Zusammensetzung. So soll die Partei den Präsidenten und wie JxCat zwei Mitglieder im Präsidium stellen. Auch wenn es noch kein Regierungsabkommen ist, ist die Entscheidung für die erneute Wahl von Puigdemont zum Präsidenten gefallen.
Es ist üblich, dass in der Koalition die Parlamentspräsidentschaft eine Partei stellt und die andere den Präsidenten. So erklärt sich, warum Puigdemont auf einer Veranstaltung im französischen Montpellier - er war per Video aus Brüssel zugeschaltet - den aus Katalonien angereisten Anhängern am Dienstagabend erklärt hat: »Mit aller Sicherheit und Legitimität werde ich als vom Parlament gewählter Präsident zurückkehren.« Auf der Veranstaltung saß neben Vertreterinnen von ERC und JxCat auch die bisherige CUP-Parlamentarierin Mireia Boya auf dem Podium. Die Linksradikalen, auf deren Gunst ERC und JxCat erneut angewiesen sind, wollen das Abkommen stützen. Die gewählte CUP-Abgeordnete Natàlia Sànchez ging im Interview mit Catalunya Ràdio am Mittwoch sogar darüber hinaus. »Unsere vier Abgeordneten werden die Wahl einer für eine Republik eintretenden Regierung nicht verhindern.« Sie forderte aber inhaltliche Klärung. »Wenn es um den Aufbau der Republik geht«, die Ende Oktober einseitig ausgerufen wurde »und um die Ausweitung sozialer Rechte, dann vorwärts«. Wie aus gut informierten Kreisen zu hören ist, haben sich Puigdemont und Rovira auf Puigdemont als Präsident geeinigt. Die Frage sei nur, wie er eingesetzt werde, da in Spanien weiter Haftbefehl wegen angeblicher Rebellion und Aufruhr gegen ihn und vier ehemalige Minister bestehen. Die internationalen Haftbefehle hat Spanien wegen Aussichtslosigkeit zurückgezogen.
Die ERC lässt zwei Szenarien juristisch prüfen: Über das Parlamentspräsidium das Statut zu ändern, um ihn per Live-Videoschaltung aus Brüssel die Antrittsrede halten zu lassen oder das durch einen Stellvertreter tun zu lassen. Letzteres wird bevorzugt. Zwar verbietet kein Artikel im Statut eine Telematik-Lösung, aber das spanische Verfassungsgericht könnte eine Statutenänderung kippen. Eine Klage hat die rechte in Spanien regierende Volkspartei (PP) schon angekündigt. »Mit allen Mitteln« will die PP eine Amtseinführung von Puigdemont verhindern, sagte der PP-Generalkoordinator Fernando Martínez Maillo. Da eine delegierte Amtseinführung im Reglement schon vorgesehen ist, wäre dies sicherer. Allerdings prüft nun das Verfassungsgericht erst einmal, ob die Anwendung des Artikel 155 rechtmäßig war. Das wurde am Mittwoch bekannt gegeben. Darüber hatte die rechte spanische Regierung Puigdemont abgesetzt, das Parlament aufgelöst und Zwangswahlen angesetzt. Für die Oppositionsführerin Inés Arrimadas von den Ciutadans (Bürger) ist Puigdemont untragbar. »Man kann der Regierung nicht vorstehen, ohne die Gesetze zu achten, nach Belgien geflüchtet und ohne Programm«, sagt die Chefin der Ciutadans, die in Spanien unter Ciudadanos firmieren.
Den Weg Puigdemont hat auch Artur Mas bereitet. Der einstige Regierungschef trat vor zwei Jahren »zur Seite«, da die CUP den Konservativen, der derselben Partei wie Puigedemont angehört, nicht bereit war, als Präsidenten mit zu wählen. Stattdessen plädierte die CUP für Puigdemont und fand Gehör. Mas behielt jedoch weiter den Vorsitz der christdemokratischen PdeCat. Davon trat er nun am Dienstag zurück, um »Raum freizumachen«. Mas will keine »Bremse« für die »Ausbreitung« des neuen Projekts sein. Damit kappt die PdeCat von Puigdemont alle Seile zur alten Vorgängerpartei CiU und den Korruptionsskandalen der grauen Eminenz Jordi Pujol, der von 1980 bis 2003 Präsident Kataloniens war. Dessen politischer Ziehsohn war Mas, dessen wiederum Puigdemont. Die nationalkonservative Wurzeln habende PdeCa rückt im Zuge der Unabhängigkeitsbestrebungen mit Mas Rückzug aus der Mitte weiter nach links.
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