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Auswege aus dem Labyrinth
Postwachstum und Postextraktivismus: Für Alberto Acosta kann der Kapitalismus nicht national, sondern nur gemeinsam und global überwunden werden.
Der Kapitalismus ist allgegenwärtig, die herrschende Zivilisation. Sein Schatten bedeckt so gut wie alle Lebewesen - Menschen und Nicht-Menschen - wir alle sind verloren im dialektischen Labyrinth des Kapitals. Eine Flucht ist schwierig und komplex, abgesehen davon, dass das Leben von ihm abhängt. Inmitten dieser Schatten wird die Vision für eine andere Zivilisation zum dringend notwendigen Leuchtturm. Ohne Zweifel ist aber bereits allein die Vorstellung möglicher Auswege aus einer Welt voller »Unmöglichkeiten« und anderer Fallstricke, die das Kapital in den Weg legt, eine echte Herausforderung.
Ohne die vielfältigen nationalen und lokalen Vorschläge klein machen zu wollen - um die Zivilisation der »Macht um der Macht willen« (genau das macht das Kapital aus) niederzureißen bedarf es globalen Handelns. Darum ist es entscheidend globale Räume des Nachdenkens zu schaffen, um mögliche Alternativen zu vervielfachen, sie zu addieren und zu verknüpfen mit all den tausenden Wiederstandkämpfen, die weltweit passieren.
Genau das war und ist beispielsweise das Bestreben der Arbeitsgruppe für Alternativen zu Entwicklung der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS). In einer reichhaltigen Symbiose von Debatten zwischen Intellektuellen und Aktivisten werden die Realitäten der verschiedenen Kontinente diskutiert und Möglichkeiten erörtert, die großen Herausforderungen der Menschheit anzugehen. Jüngstes Ergebnis aus dem Umfeld der Arbeitsgruppe ist das Buch »Radikale Alternativen - Warum man den Kapitalismus nur mit vereinten Kräften überwinden kann«, von Ulrich Brandt. Der Text dreht sich um die Idee, dass eine Wachstumsrücknahme im Norden mit einer Abkehr von Extraktivismus im Süden zusammenhängt, und anders herum.
Die These gründet sich auf der Tatsache, dass ein Großteil des Wachstums auf der gefrässigen und permanenten Ausweitung der Extraktivismen gründet: Bergbau, Öl und Gas, Agro, Forstwirtschaft, Fischerei. Der Wohlstand der wohlhabenden Gruppen dieser Erde, besonders im globalen Norden, fußt auf der massiven Ausbeutung der natürlichen Ressourcen (und natürlich der Arbeit).
Postwachstum (»Degrowth« oder Wachstumsrücknahme) und Postextraktivismus, beide Konzepte verbinden sich in unterschiedlicher Form mit den Aktionen der sozialen Bewegungen. Was den Postextraktivismus angeht, so ist die Beziehung eine direkte, da die Vorschläge aus den Bewegungen kommen, die Menschenrechtsverletzungen und die Zerstörung ihrer Ökosysteme in ihren Territorien erlebten und erleben. Beim Postwachstum ist das ein wenig anders, weil die Bewegungen gewöhnlich nicht mit diesem Fokus entstehen. Allerdings führen ihre Kämpfe und Forderungen zur politisch-konzeptionellen Ebene des Minus-Wachstums, einige implizit, andere explizit.
Die Wirkungsmacht bei der Betrachtung des Postextraktivismus und Postwachstums als zwei Seiten einer selben Wirklichkeit wurzelt darin, die Debatte auf die Beziehungen von Produktion, Extraktion, Gebrauch und Konsum zu zentrieren, die in der kapitalistischen Welt den Norden mit dem Süden verbinden. Warum ist ein Verweis auf diese Beziehungen so wichtig? Weil sie den vielseitigen Charakter der Zivilisationskrise aufdeckt, in der wir heute leben. Vor allem die Umweltkrise wird nicht als Teil der anderen Krisen verstanden, was Platz für falsche Lösungen wie die »grüne Wirtschaft« ermöglicht. Jene Personen und Bewegungen aber, welche die Umweltkrise als Teil der globalen Zivilisationskrise verstehen, werden von der Macht als Einzelgänger dargestellt, die sich gegen den vermeintlichen Fortschritt stellen würden. Als Entwicklungsgegner, welche nicht in der Lage seien die kapitalistische Logik als angeblich notwendiges und unvermeidbares Übel zu erkennen. Die »imperiale Lebensform« (Brand/Wissen) erscheint somit unvermeidbar, sogar wünschenswert, vor der jedermann in die Knie muss.
Aber einige wehren sich vor dem Kniefall. Zusammen, rund um den Globus, wollen wir über Auswege aus dem kapitalistischen Labyrinth nachdenken, und seine Mauern durch eine Kritik des aktuellen politischen Moments niederzureißen. Eine andere Zivilisation bedarf einer neuen Wirtschaft. Diese neue Wirtschaft muss auf den Menschenrechten und den Rechten der Natur gründen, von Beginn an, nicht als fernes Ziel. Das Kapital kann nur gemeinsam entmachtet werden. Die heterogenen Räume des Austausches müssen mehr, die Politik als lebendiger Ort wiederbelebt werden. Dieser Wandel, inspiriert und getragen von bestehenden Situationen und Erfahrungen, braucht eine Transition, einen Übergang, keinen plötzlichen Bruch. Es gibt bereits viele kleine Gemeinsamkeiten, wobei jeder Prozess unterschiedliche Ziele, Wege und Vergänglichkeiten in sich trägt. Die Herausforderung aber ist die Selbe: Vorschläge auf den Tisch zu legen, welche nicht das Kapital oder die Macht, sondern die Reproduktion des Lebens im Schilde führt.
Übersetzung: Benjamin Beutler
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