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Politik gegen Einsamkeit
Diakonie-Präsident: »Armut und Vereinsamung hängen ganz klar zusammen«
Berlin. Nachdem in Großbritannien ein Regierungsposten gegen Einsamkeit eingerichtet worden ist, fordern auch deutsche Politiker mehr Einsatz im Kampf gegen das Alleinsein. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte am Freitag: »Die Einsamkeit in der Lebensphase über 60 erhöht die Sterblichkeit so sehr wie starkes Rauchen.« Einsame Menschen würden früher sterben und »viel häufiger an Demenz« erkranken. »Es muss für das Thema Einsamkeit einen Verantwortlichen geben, bevorzugt im Gesundheitsministerium, der den Kampf gegen die Einsamkeit koordiniert«, sagte er.
Der CDU-Politiker Marcus Weinberg forderte »eine Enttabuisierung« des Themas Einsamkeit, »damit einsame Menschen eine Lobby haben und Einsamkeit nicht in einer Schmuddelecke bleibt«. Das Thema und die gesamtgesellschaftlichen und gesundheitlichen Folgen von zunehmender Einsamkeit würden an Bedeutung in den kommenden Jahren zunehmen. »Wir müssen uns des Themas Einsamkeit annehmen, Forschung hierzu fördern, Programme auflegen, neue Konzepte entwickeln«, forderte der familienpolitische Sprecher der Union.
In Großbritannien gibt es seit dieser Woche einen Regierungsposten gegen Einsamkeit. Sportstaatssekretärin Tracey Crouch übernahm diesen Aufgabenbereich zusätzlich. In Großbritannien fühlen sich nach Regierungsangaben mehr als neun Millionen Menschen isoliert. Etwa 200.000 Senioren hätten höchstens einmal im Monat ein Gespräch mit einem Freund oder Verwandten. Regierungschefin Theresa May hat mit der Maßnahme nach eigenen Worten vor allem Senioren, Pflegende und solche Menschen im Auge, die den Verlust eines ihnen nahe stehenden Menschen betrauern. Es gehe um »Menschen, die niemanden haben, mit dem sie reden oder ihre Gedanken und Erfahrungen teilen können«, sagte May.
Auch Diakonie-Präsident Ulrich Lilie forderte mehr politisches und gesellschaftliches Engagement gegen Einsamkeit. »Wir brauchen ein Bündnis aus Politik und gesellschaftlichen Gruppen, wie Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Sportvereinen und kulturellen Einrichtungen«, sagte Lilie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Einsamkeit sei ein Querschnittsproblem in der Gesellschaft, über das zu wenig geredet werde. Sowohl in Städten als auch auf dem Land wachse die Zahl von Menschen, die sich einsam fühlten. »Einsame Leute wieder in die Gesellschaft zu holen, ist eine Aufgabe, die man nicht einfach kommerziellen Anbietern wie Facebook oder Partnerschaftsbörsen überlassen darf«, sagte der Diakonie-Präsident.
Lilie sagte, die Politik müsse mehr tun, um Einsamkeit vorzubeugen. »Armut und Vereinsamung hängen ganz klar zusammen«. So habe in Berlin mehr als die Hälfte der Bewohner Angst, ihre Miete nicht mehr zahlen zu können und deswegen ihre vertraute Umgebung verlassen zu müssen. »Da finden Verdrängungswettbewerbe statt, bei denen wir nicht einfach zugucken können.« Einsamkeit könne auch in politischem Frust resultieren. »Die Leute melden sich dann auch politisch, indem sie Parteien wählen, von denen man sich nicht wünscht, dass sie größer werden«, sagte er.
Der Präsident des Sozialverbands SoVD, Adolf Bauer, sagte, oft wüssten die Betroffenen einfach nicht mehr weiter. »Damit sich das ändert, muss die Bundesregierung das Thema Einsamkeit auf die Agenda setzen.«
Eine Studie der Psychologie-Professorin Maike Luhmann von der Ruhr-Universität Bochum ergab, dass sich in Deutschland jeder Fünfte über 85 einsam fühlt, wie die »Bild«-Zeitung berichtete. Bei den 45- bis 65-Jährigen sei es jeder Siebte. Luhmann sagte: »Es gibt keine Altersgruppe, in der sich Menschen nicht einsam fühlen.« Besonders ältere, kranke Menschen, die kaum noch ihr Haus verlassen könnten, seien betroffen. »Ein Teufelskreis, denn soziale Isolation kann Krankheiten wie Depression oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen.« Agenturen/nd
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