- Politik
- 55 Jahre Élysée-Vertrag
Linke sagen »Direktorium für Europa« den Kampf an
Gemeinsame Erklärung von Sahra Wagenknecht, Jean-Luc Mélenchon und Dietmar Bartsch warnt vor den geplanten Folgen eines neuen Élysée-Vertrages
Als der Élysée-Vertrag 1963 unterschrieben wurde, geschah dies unter den misstrauischen Blicken der Bündnispartner im Westen. Ratifiziert wurde der Vertrag von Deutschland deshalb erst, nachdem ihm eine Präambel vorangestellt worden war, die klarstellte, dass der Vertrag nichts an der festen Anbindung Deutschlands an die USA, die NATO und die EU-Institutionen ändern werde. Die Lage hat sich geändert. Die Regierungen beider Länder sehen die Zeit gekommen, Europa einen neuen Schub zu geben und haben ihren gemeinsamen Führungsanspruch dabei deutlich gemacht. Ein Kerneuropa, das Kritiker als ein Europa der zwei Geschwindigkeiten ausmalen, ist damit praktisch schon erklärte Absicht, wie man aus dem Beschluss des Bundestages vom Montag herauslesen kann. Auch in der Erklärung, die Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron bei ihrer Zusammenkunft am letzten Freitag unterzeichneten, werden die Ambitionen beider Seiten deutlich.
Der Bundestag würdigt in einem Beschluss den Vertrag, der vor 55 Jahren in Kraft trat, legt aber zugleich fest, dass ein neuer Vertrag noch in diesem Jahr unterzeichnet werden soll. Unterschrieben haben ihn die Fraktionen von Union, SPD, Grünen und FDP – nicht aber die der LINKEN und der AfD. Die AfD hat dem Bundestag den Kampf angesagt und beantwortete ihren Ausschluss aus der Initiative mit einem Boykott der gemeinsamen Veranstaltungen von Bundestag und französischer Nationalversammlung am Montag. Die LINKE brachte hingegen einen eigenen Antrag in den Bundestag ein. In diesem macht sie ihre alternativen Vorstellungen und ihre Kritik am Beschluss deutlich.
Ausführlicher noch wird dies in einer Erklärung getan, die die Fraktionsvorsitzenden der LINKEN gemeinsam mit dem Chef der Gruppe La France insoumise (Das aufständische Frankreich) verabschiedeten. Darin sprechen Jean-Luc Melenchon, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch dem Élysée-Vertrag positive Wirkungen auf die Zusammenarbeit beider Länder und auf die Entwicklung Europas seit dem Zweiten Weltkrieg zu. Vor allem aber sehen die drei Politiker die Gefahr, dass sich beide Länder als »eine Art Direktorium« installieren, »das über das Schicksal der 26 anderen europäischen Mitgliedstaaten entscheidet«.
»Wir können keine deutsch-französische Kooperation akzeptieren, die darauf beruht, die anderen Länder beiseite zu drängen und die sich zum Ziel setzt, den Rest Europas zu dominieren«, schreiben Wagenknecht, Mélenchon und Bartsch in ihrer Erklärung. Die Befürchtung nährt sich vor allem aus den politischen Erfahrungen der letzten Jahre, dem Umgang der EU mit der Finanzkrise unter dem Einfluss Berlins und den Absichtserklärungen Macrons. Im Beschluss des Bundestages sprechen sich die Abgeordneten für die Verwirklichung eines deutsch-französischen Wirtschaftsraums mit einheitlichen Regelungen sowie »für eine entsprechende Harmonisierung der Regelungen zur Vollendung des europäischen Binnenmarktes« aus.
In ihrer Erklärung sehen die drei Linkspolitiker hierin die Gefahr eines »Deals« für die Eurozone: »Geld gegen Strukturreformen, permanente Kürzung von Löhnen, Renten und öffentlichen Investitionen, eine ›Agenda 2010‹ in Frankreich statt Stärkung der Binnenwirtschaft und Abbau der deutschen Exportüberschüsse. Diese Politik wird die Krise in der EU weiter vertiefen und rechtspopulistischen Kräften in Frankreich und Deutschland weiter Auftrieb geben.« Ein neuer Élysée-Vertrages sollte stattdessen einen ausgeglichenen Außenhandel vorsehen, eine europäische Schuldenkonferenz sowie eine zeitlich befristete Vermögensabgabe von Millionären nach dem Vorbild des deutschen Lastenausgleichs nach dem Zweiten Weltkrieg. Und der Fiskalpakts sollte ausgesetzt werden.
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