Weltreisen durch Thüringen
Im Freistaat fehlt noch immer ein einheitlicher Verkehrsverbund - Änderung ist nicht in Sicht
Seit Jahren gibt es in Thüringen Versuche, einen landesweiten Verkehrsverbund zu gründen; zum Vorteil derer, die Bus und Bahn statt Auto fahren. Und seit Jahren gibt es Streit um dieses Vorhaben. Auf der einen Seite stehen das Land und seine Vertreter, die drängeln, weil sie endlich einen einheitlichen Verkehrsverbund für Thüringen wollen, der besonders den ländlichen Raum im Freistaat attraktiver machen soll.
Bislang kommt es in Thüringen allzu oft einer kleinen Weltreise gleich, wenn man über die Grenzen von einem oder gar mehreren Landkreisen hinweg Bus und Bahn fahren will. In der Regel muss man verschiedene Tickets kaufen und damit leben, dass die verschiedenen Bus- und Bahnverbindungen nicht wirklich aufeinander abgestimmt sind. Eine Ausnahme bildet Mittelthüringen, wo es bereits einen einheitlichen Verkehrsverbund gibt, der von Gotha über Erfurt, Weimar und Jena bis nach Gera reicht.
Auf der anderen Seite stehen die Vertreter von Kommunen und auch einiger Verkehrsunternehmen, die dieses Ziel seit Jahren zwar immer wieder begrüßen - und es tatsächlich doch gleichzeitig unterlaufen. Bis heute gibt es deshalb in einem so kleinen Land wie Thüringen keinen einheitlichen Verkehrsverbund; das Landleben im Freistaat ist ohne Auto praktisch undenkbar. Und weil es keinen Verbund gibt, hat Thüringen bislang auch noch immer kein Azubi-Ticket, das diesen Namen auch verdienen würde - also einen einheitlichen Fahrschein für Lehrlinge, mit dem diese den gesamten öffentlichen Nahverkehr im Land nutzen könnten.
Vor wenigen Tagen nun berichtete der MDR, der Geschäftsführer des Thüringischen Landkreistages, Thomas Budde, beharre darauf, einen solchen Verkehrsverbund müssten die Kommunen »steuern«. Immerhin seien die Landkreise und kreisfreien Städte als Träger des öffentlichen Nahverkehrs dafür zuständig, dass Busse durch das Land rollten. Dagegen erklärte das Thüringer Verkehrsministerium nach dem Bericht des Senders, im Haus von Ministerin Birgit Keller (LINKE) sei man der Auffassung, die Organisation des öffentlichen Nahverkehrs sei eine gemeinsame Aufgabe von Landkreisen, Städten und Freistaat. Und immerhin sei das Land doch der Geldgeber in diesem Bereich. Heißt: Das Land gibt das Geld, also will das Land auch bestimmen.
Der Zeitpunkt dieses öffentlichen Schlagabtausches ist bemerkenswert: Nur etwa einen Monat zuvor hatte die rot-rot-grüne Landesregierung die bislang geplante Gebietsreform beerdigt, wobei führende Vertreter des Bündnisses wortreich erklärten, man wolle nun darauf hinwirken, dass die Landkreise und kreisfreien Städte freiwillig und in ihren bisherigen Strukturen enger untereinander und auch enger mit dem Land kooperieren. »Die Reform ist nicht beendet, sie ist nicht abgebrochen. Sie bekommt heute eine neue Qualität«, hatte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) sogar erklärt.
Nun, im Januar 2018, zeigt sich aber mit dem anhaltenden Streit um einen einheitlichen Verkehrsverbund, wie groß die Hürden für mehr sogenannte interkommunale Zusammenarbeit in Thüringen sind - trotz aller Lippenbekenntnisse aus den vergangenen Wochen, aufeinander zuzugehen zu wollen. Dabei wäre die Schaffung eines einheitlichen Verkehrsverbundes ein Beispiel für interkommunale Zusammenarbeit par excellence.
Dazu passt, dass in Erfurt derzeit überhaupt niemand so richtig weiß, wie dieses Mehr an interkommunaler Zusammenarbeit eigentlich aussehen soll, das die rot-rot-grüne Regierungskoalition nun als eine Mikro-Gebietsreform verkaufen will. Zwar ist in diversen Arbeitsgruppen und an Mittagstischen viel von »gemeinsamen Überlegungen« und »Findungsprozessen« und »Gedankenspielen« die Rede. Doch einen echten Plan, auf welchen Feldern die Kommunen im Land - und wie dort genau - in Zukunft mehr kooperieren sollen, gibt es derzeit nicht. Nicht bei Rot-Rot-Grün. Und auch nicht bei den Landkreisen und kreisfreien Städten. Der andauernde Streit um den Verkehrsverbund ist deshalb nicht nur für Bus- und Bahnfahrer in Thüringen ein Problem.
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