Tiere unter Videoüberwachung

Kinderbauernhof »Spielewald« benötigt Kameras zur Abwehr von Dieben und Wilderern

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Der linke Hinterhuf ist gespalten und entzündet. Das Pferd hat Schmerzen. Doch Tierärztin Monique Gumprecht hilft ihm, schneidet die Stelle frei und desinfiziert mit mehreren Spritzen Jod. Zum Schluss kommt ein Verband drum. Das Tier kann zurück auf die Weide. Alles gut? Leider nein.

Der Kinderbauernhof »Spielewald« in Eiche (Barnim) litt immer wieder unter Diebstahl und Vandalismus. »Seit Beginn des Jahres häufen sich die Probleme«, beklagt Leiterin Anna Gärtner. »Zwei unserer Katzen sind verschwunden, von Nacht zu Nacht schrumpft der Hühnerbestand.« Eines morgens fanden die Mitarbeiter von den fünf Laufenten nur noch die abgehackten Köpfe.

Jetzt reicht es dem Verein Spielplatzinitiative Marzahn, der neben zwei Abenteuerspielplätzen in Berlin auch den Kinderbauernhof betreibt, der knapp hinter der Stadtgrenze auf brandenburgischem Territorium liegt. Nun soll es eine Videoüberwachung geben. Die Kameratechnik würde, die Installation inbegriffen, 2000 Euro kosten.

Der Vereinsvorsitzende Matthias Bielor bittet um Spenden. Es ist auch bereits eine erkleckliche Summe eingegangen. Aus Marzahn-Hellersdorff wird die Bundestagsabgeordnete Petra Pau (LINKE) noch 100 Euro geben. Ihre Genossen Regina Kittler, Manuela Schmidt und Christian Ronneburg, die im Abgeordnetenhaus sitzen, und die Bezirksverordneten um Linksfraktionschef Björn Tielebein legen etwas dazu. Björn Tielebein ist am Mittwochmorgen rausgekommen, Petra Pau auch - in Gummistiefeln. Das ist ratsam bei dem Matsch. Die Politikerin ist oft zu Besuch. Sie kennt sich aus. Die LINKE sei gegen die Videoüberwachung öffentlicher Plätze, bestätigt Pau. Aber das hier ist ein Sonderfall.

Öffentliche Förderung hat der Kinderbauernhof in den sieben Jahren seines Bestehens noch nie bekommen. Der Bezirk Marzahn-Hellersdorf zahle nicht, weil der Hof außerhalb liegt, erklärt Anna Gärtner. Die Gemeinde Ahrensfelde wiederum, zu der Eiche gehört, berufe sich darauf, dass vor allem Kinder aus Berlin-Marzahn den Spielewald besuchen.

Der Kinderbauernhof finanziert sich mit den Gebühren für Reitstunden und den Einnahmen aus Kindergeburtstagen und Kremserfahrten. Ab 15 Uhr sind täglich 30 Kinder und mehr hier draußen. Auch Kitagruppen und Schulklassen sind häufig zu Gast. Besonders in den Sommerferien herrscht Betrieb, aber auch im Winter kommen die Mädchen und Jungen. Es sind viele Kinder aus armen Familien dabei, deren Eltern sich Reitstunden nicht leisten können. Diese Kinder helfen, die Tiere zu versorgen, und dürfen dann auch mal in den Sattel steigen. »Anna kann nicht Nein sagen«, lobt der Vereinsvorsitzende Bielor. Sie besorge sogar Schuhe für Kinder, die dringend welche benötigen.

Es kommt auch vor, dass Vierjährige früh von den Eltern abgegeben, aber abends nicht abgeholt werden. Anna Gärtner muss die Knirpse dann manchmal selbst nach Hause fahren oder - wenn es ganz schlimm aussieht - das Jugendamt informieren. Gefrustet wirkt sie aber nicht. Im Gegenteil. Der Kinderbauernhof, das ist ihr Leben. Dafür kündigte sie einst ihre Stelle bei der Post. Im Sommer bemüht sie sich oft gar nicht erst in ihre Wohnung, sondern übernachtet gleich auf dem Hof.

Das Unbekannte nachts eindringen und Tiere töten, trifft sie genauso tief wie die Kinder, die furchtbar geweint haben. Mit der Videoüberwachung können die Täter hoffentlich abgeschreckt oder dingfest gemacht werden. Denn Jäger Andreas Walter hält zwar die Augen offen, kann aber nicht immer Wache halten. Er tippt auf Wilderer. Im nahen Wald erwischte er mal einen Russen, der seinem Enkel zeigte, wie man Schlingen legt und nicht wusste, dass dies in Deutschland verboten ist. Der Russe sei jedoch einsichtig gewesen und habe sich nie wieder blicken lassen, betont Walter. Es gebe aber Männer, die ihre Hunde auf Rehe hetzen, und Jugendliche, die ein Reh mit Armbrustpfeilen so sehr verletzten, dass es elend verendeten. Walter schüttelt verständnislos den Kopf. Wie Leute so etwas tun können, versteht er nicht. Aber dass die Spendenbereitschaft jetzt so hoch ist, das habe ihm »den Glauben an die Menschen wiedergegeben«, sagt Walter.

Spielplatzinitiative Marzahn, Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE 5510 0205 0000 0339 3100, Zweck: Spielewald

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