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Die unermüdliche Ikone Anne Clark
Claus Withopfs Film beschwört eine fast vergessene Zeit – und macht Lust auf Musik
Ungewöhnlich nah kommt einem Anne Clark in diesem Kinofilm. Nahezu alle autobiografischen Details erzählt die Sängerin in ehrlichen, offenen Gesprächen, die sie über zehn Jahre mit dem deutschen Regisseur Claus Withopf führte. Der Film verfolgt keine chronologische Ordnung, stattdessen beginnt er mit einem Tiefpunkt in Clarks Karriere: Nach dem anfänglichen Erfolg wurde sie von einem Manager hintergangen, der sich mit viel Geld auf und davon machte. Von diesem Vertrauensbruch erholte sie sich nur dank einer längeren Pause, während derer sie in Norwegen lebte und viel Zeit in der Natur verbrachte.
Statt aufzuschlüsseln, wie Clark zurück zur Musik fand, lässt Withopf sie zunächst von ihrer Kindheit erzählen. Zum einen ist es das taffe, raue Arbeitermilieu in Croydon im Süden Londons, dem sie seit Jugendjahren entfliehen möchte. Zum anderen ist es das durch Gewalt und Streit geprägte Elternhaus, das sie in die Welt der Musik und der Lyrik treibt. »Daher hatte ich schon immer ein Bedürfnis danach, die Geschehnisse aufzuschreiben und somit besser zu verarbeiten«, sagt Clark. Die Hochhaus-Gegend, in der sie groß wurde, sei die maßgebliche Inspiration für ihren Erfolgs-Hit »Sleeper in Metrolopis« gewesen.
Dann ist da die Zeit, in der Clark zu einer jungen Frau heranwächst. 16 Jahre alt gewesen zu sein, als die Sex Pistols und andere Punkbands erfolgreich wurden, beschreibt sie als ein unglaubliches Gefühl: »Wir haben uns einfach die Haare abgeschnitten, blau oder rot gefärbt und uns aus Plastiktüten und Sicherheitsnadeln Klamotten gebastelt.« Ihren eigenen Erfolg verdanke sie der New-Wave-Bewegung, sagt die heute 57-Jährige, die während des ganzen Filmes nie als große Selbstdarstellerin herüberkommt. Einschübe von Live-Auftritten und Aufnahmen im Studio machen derweil nicht nur Lust zum Tanzen, sie wecken auch das Bedürfnis, Clark bei einem Getränk persönlich kennenzulernen. Dass das kein Traum bleiben muss, lässt Withopf das Berliner Publikum nach der Filmpremiere wissen: Clark komme nach ihren Konzerten in der Regel auf ihre Fans zu.
Neben den Besonderheiten der Zeit und der sich entwickelnden New-Wave-Musik arbeitet der Film jene persönlichen Erfahrungen heraus, die Clark zu einer Künstlerin mit Idealen machen. So nehmen ihre Erinnerungen an die Arbeit als Jugendliche in einem Krankenhaus für Menschen mit einer psychischen Erkrankung und an die körperliche Gewalt des Pflegepersonals gegenüber den Klient*innen einen Großteil des Filmes ein. Während der Dreharbeiten stellt sich heraus, dass das Krankenhaus mittlerweile abgerissen wurde, und Clark fragt sich: »Wo sind die ganzen psychisch Kranken heute?«, um dann selbst die Antwort zu geben: »Wahrscheinlich regieren sie unser Land.«
Auch die frühe Freundschaft zu einem schwulen Mann, der Opfer von Gewalt wurde, »nur weil er etwas anders« war, hat ihre Wirkung auf Clark entfaltet. Im Premierengespräch spricht sie sich deutlich gegen religiöse Fundamentalisten und gegen jede Form der Gewalt aus.
Selbst ausgewiesene Clark-Kenner dürften von den Einblicken überrascht sein, die Withopf in ihre Arbeit ermöglicht. So erzählt Clark etwa, dass sie nach dem Tod ihres Vaters wie gelähmt war, nach dem Tod ihrer Mutter die Texte jedoch förmlich aus ihr heraussprudelten. In dem Song »Know« verarbeitete sie schließlich die konfliktbeladene Beziehung zu ihrer Mutter, in der so vieles unausgesprochen blieb.
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