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Antisemitismusskandal um FPÖ-Spitzenkandidaten
Österreichs Regierung steht vor erstem Test bei Landtagswahlen in Niederösterreich - und wieder gibt es eine braune Affäre
Waren das noch Zeiten, als sich FPÖ-Wahlkämpfer ungeniert austoben konnten: »Am 28. Jänner gehört Moslem-Mama Mikl samt ihrem Multi-Kulti-Wahnsinn abgewählt!« Dieser von der niederösterreichischen FPÖ samt Kopftuchbild von ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner auf Instagram gepostete Spruch löste im November Empörung aus, konnte aber Sebastian Kurz’ Vorfreude auf seine Koalition mit der FPÖ nicht mehr trüben. Seit er und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor Weihnachten nicht nur Koalitionspartner, sondern gleich ziemlich beste Freunde wurden, tritt die FPÖ auch in Niederösterreich moderater auf. Ihr - wie Kurz - erst 31-jähriger Spitzenkandidat Udo Landbauer verkneift sich seither Attacken auf die Landeshauptfrau.
Außerdem hat er im Wahlkampffinale als stellvertretender Vorsitzender der schlagenden Burschenschaft »Germania zu Wiener Neustadt« ganz andere Sorgen. Allein deren Leitspruch »Deutsch und treu in Not und Tod« müsste einem österreichischen Politiker zu denken geben. Doch die Provinzgermanen beließen es nicht bei dieser Deutschtümelei. Die Studentenverbindung hat auch ein Liederbuch, aus dem das Magazin »Falter« jetzt Haarsträubendes zitierte: »Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ›Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million‹«, lautet etwa eine Strophe des Liedes »Es lagen die alten Germanen«. An anderer Stelle heißt es: »Da schritt in ihre Mitte ein schlitzäugiger Chines’: Auch wir sind Indogermanen und wollen zur Waffen-SS.«
Bei dem Gesangbuch handelt es sich nicht um eine Relikt der Nazizeit. Es wurde vor 20 Jahren gedruckt. Bundeskanzler Kurz findet die Texte »rassistisch, antisemitisch und absolut widerwärtig«. Der ÖVP-Chef fordert »volle Aufklärung«, die Udo Landbauer auch verspricht. Er will die Texte nicht gekannt haben, stellte seine Mitgliedschaft ruhend und setzte eine Untersuchungskommission ein. In einer Stellungnahme distanziert sich die Germania »von jeder Verherrlichung der Verbrechen der NS-Diktatur«.
Obwohl Landbauer die Flucht nach vorne antreten musste, hält ihm die FPÖ-Spitze die Stange. Parteichef Strache wies Rücktrittsforderungen gegen Landbauer zurück. FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky erklärte es für »mehr als durchsichtig, wenn das linksextreme Wiener Nischenmagazin ›Falter‹ unseren untadeligen niederösterreichischen Kandidaten Udo Landbauer anpatzen will«.
Spannend wird auch, ob die ÖVP die absolute Mehrheit halten kann. Landeshauptfrau Mikl-Leitner, die im vergangenen April den nach fast 25 Jahren abgetretenen Landeschef Erwin Pröll beerbte hat, wird an einer hohen Latte gemessen. Pröll hatte vor fünf Jahren für die ÖVP noch 50,8 Prozent geholt. In den Umfragen pendeln die Schwarzen nun in einer Bandbreite von 45 bis 48 Prozent.
Ein Verlust der »Absoluten« im tiefschwarzen Niederösterreich wäre zwar kein Drama für Sebastian Kurz, könnte aber schon als Ende des seines Höhenfluges interpretiert werden. Sollte die ÖVP die absolute Mehrheit verlieren, stellt sich allerdings keine Koalitionsfrage. In dem Bundesland wird die Regierung nach dem Proporzsystem gebildet. Jede Partei ist ab einer bestimmten Stärke in der Landesregierung vertreten.
Das bedeutet auch für die Sozialdemokraten einen sicheren Platz in der Regierung, obwohl ihre Aussichten nicht berauschend sind. In Niederösterreich begnügt sich ihr Spitzenkandidat Franz Schnabl mit dem Ziel, stärker zu werden und die absolute Dominanz der ÖVP zu brechen. Das ist bescheiden angesichts der Ausgangslage von einem historischen Tief bei 21,6 Prozent. Viel mehr prognostizieren die Demoskopen der SPÖ aber auch nicht.
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