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Wenn für Höcke mit dem Islam am Bosporus Schluss ist
Thüringer AfD-Chef sorgt mit einer geschickt formulierten Rede für Empörung - doch die Aussage lässt sich unterschiedlich interpretieren
Obwohl das Urteil im Ausschlussverfahren gegen den Björn Höcke erst im Februar endgültig gesprochen wird, ist schon länger klar, dass der Thüringer AfD-Politiker mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht aus der Partei fliegt, nachdem sich sogar die beiden Vorsitzenden Alexander Gauland und Jörg Meuthen gegen diesen Schritt ausgesprochen hatten. Spätestens Anfang Januar stand de facto fest: Einen Rauswurf hat Höcke als Konsequenz aus seiner Dresdner Rede, in der er das Berliner Holocaust-Mahnmal als »Denkmal der Schande« bezeichnete, nicht zu befürchten. Sein Parteifreund André Poggenburg erklärte unter Berufung auf Teilnehmer der Anhörung vor dem Thüringer Schiedsgericht, dass das Gremium kein parteischädigendes Verhalten festgestellt habe. »Das Urteil der Sitzung liegt noch nicht vor, aber es ist sicherlich davon auszugehen, dass es so ausgeht«, so Poggenburg.
Bei Höcke dürfte dieses Signal nichtsdestotrotz für Erleichterung gesorgt haben. In der Folge des über viele Monate schwebenden Verfahrens rüstete der Thüringer AfD-Landeschef zuletzt rhetorisch spürbar ab. Nach dem Motto: Seinen parteiinternen Gegnern bloß keine Angriffspunkte bieten. Schwer für einen wie Höcke, der sich sonst in der Rolle des großen Redners gefällt, der auch die Grenzen des auch justiziabel Sagbaren häufig ausreizt.
Doch kaum von der Last einen Parteiausschlusses befreit, dreht Höcke den ideologischen Lautsprecher wieder auf: Die »Welt« und das Magazin »Bento« machten am Sonntag auf eine Rede des Thüringer Partei- und Landtagsfraktionschefs bei einer AfD-Veranstaltung am 20. Januar in Eisleben aufmerksam, die seitdem für Empörung sorgt.
Höcke widmet sich in der knapp zweistündigen Veranstaltung dem Kernthema der Rechtsaußenpartei: Die Warnung vor einer angeblichen »Islamisierung« Europas. In ihrer Berichterstattung konzentrieren sich die meisten Medien bisher auf eine Aussage Höckes, die etwa zur Mitte seines Redebeitrags fällt.
»Wir werden die Macht bekommen - und dann werden wir das durchsetzen, dann werden wir das durchsetzen, was notwendig ist, damit wir auch in Zukunft noch unser freies Leben leben können. Dann werden wir nämlich die Direktive ausgeben, dass am Bosporus mit den drei großen M - Mohammed, Muezzin und Minarett - Schluss ist.«
Für die »Welt« ist der Fall klar: Der AfD-Vorsitzende wolle »die Religion jetzt sogar in einem muslimisch geprägten Staat verbieten. Bei einer Rede in Eisleben in Sachsen-Anhalt kündigte er ein Verbot des Islam in der Türkei an.« Auch andere Nachrichtenseiten schlossen sich dieser Interpretation an.
Das Problem ist nur: Für sich genommen lässt sich die Aussage tatsächlich so interpretieren, der AfD-Politiker wolle den Islam auch in der Türkei bekämpfen. Die Aussage, die im Netz für viel Kritik sorgte, ist allerdings geografisch nicht eindeutig. Unklar ist, ob der Begriff Bosporus wörtlich die türkische Meerenge zwischen Europa und Asien meint oder als Synonym für die Türkei verwendet wird. Die Formulierung »dass am Bosporus Schluss ist« lässt sich deshalb auf verschiedene Weise auslegen.
Erstens: dass der Islam sich nicht über die Türkei hinaus nach Europa ausdehnen soll; zweitens: dass er sich nicht einmal über die Meerenge hinaus ausdehnen soll, also auch nicht im europäischen Teil der Türkei existieren soll; drittens - und das dürfte die abwegigste Interpretation sein: dass die Türkei als Ganzes kein muslimisches Land mehr sein soll.
Höcke äußert sich häufig widersprüchlich
Betrachtet man den Satz im Gesamtkontext der knapp einstündigen Rede, ist es sehr wahrscheinlich, dass Höcke sich mit seiner Aussage darauf bezieht, den Islam aus Europa zu verdrängen. An anderer Stelle fordert er dies sogar ganz konkret als er sagt, Ziele müsse eine »Deislamisierung Deutschlands und Europas« sein.
Wie und was das für deutsche und europäische Muslime in der Konsequenz bedeuten würde, dazu äußert sich Höcke sehr widersprüchlich. Einerseits sagt er: »Ein Muslim, der friedlich hier lebt und sich ohne Wenn und Aber im öffentlichen Raum an Recht und Gesetz hält, den muss man tolerieren. Alle anderen haben hier keine Zukunft und keine Heimat.« Prinzipiell sei er gegenüber religiösen Dingen tolerant.
Doch da ist auch noch der andere Höcke, jener, der minutenlang darüber referiert, wie die AfD den Bau der ersten Thüringer Moschee in Erfurt verhindern wolle. Jener Höcke, der Sätze sagt wie: »Der Islam, der ist aber mit unseren Wertvorstellungen, mit unserer Art zu leben, tatsächlich unvereinbar.« Die Heimat des Islam sei der Orient oder auch Schwarzafrika, aber nicht Deutschland und Europa. Würde dieser Höcke eine friedlichen Muslimen tolerieren. Würde er dem Gläubigen erlauben, eine Moschee zu errichten?
Höcke dürfte sehr genau um die Widersprüche in seiner Rede wissen. Sie folgt der Strategie, einerseits mit Provokationen für Empörung zu sorgen und selbige nur kurz darauf zu relativieren, um sich gegen Kritik zu immunisieren. Ein Islamfeind? Als solcher sieht sich der AfD-Politiker nicht. Kaum ein Vertreter der Neuen Rechten würde dies offen zugeben. Stattdessen propagieren sie ihren Ethnopulralismus, wonach Staaten und ihre Gesellschaften eine homogene kulturelle Identität besäßen, die es vor anderen Einflüssen zu bewahren gelte. Kulturelle Durchmischung, Veränderung? Die existiert im Weltbild Höckes nicht. mit Agenturen
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