- Politik
- Bremen vor der Landtagswahl
130 Bäume und der Geist von 1979
In Bremen wird die Gründung eines alternativen Wahlbündnisses erwogen - gegen die Grünen
Ein Déjà-vu der besonderen Art könnten die Grünen bei der Bremer Landtagswahl im kommenden Jahr erleben. Denn es ist durchaus möglich, dass sich das Rumoren unter engagierten Bürgern zu einem Wahlbündnis jenseits der Parteien entwickelt. Wie in den 1970er Jahren, als die Bremer Grüne Liste (BGL) entstand und 1979 ins Bremer Landesparlament einzog.
Der Überraschungserfolg der BGL, die unter anderem aus abtrünnigen SPD-Mitgliedern um den heute 82-jährigen Olaf Dinné bestand, jährt sich im kommenden Jahr zum 40. Mal. Es war allerdings der einzige Sieg für die BGL: Zur darauffolgenden Landtagswahl traten drei unterschiedliche Gruppen aus dem grünen Spektrum an, von denen nur die Partei »Die Grünen« erfolgreich war.
Olaf Dinné war einer der ersten vier Abgeordneten einer grünen Partei in einem deutschen Landesparlament. 1935 in Berlin geboren, arbeitete Dinné nach dem Studium der Architektur an der TU Berlin zunächst als freier Architekt.
1959 kam er nach Bremen und ließ sich zusammen mit Künstlern in der Altstadt, im Schnoorviertel, nieder. 1964 übernahm er mit einem Kollektiv das Lokal Lila Eule in Bremen. Dieses wurde als ein Jazz-Lokal mit politischem Anspruch betrieben, Rudi Dutschke hielt dort im November 1967 eine Rede. Im Laufe der Unruhen um 1968 wurde das Lokal Ausgangs- und Treffpunkt der bremischen Außerparlamentarischen Opposition. nd
Nun gehört Dinné, der sich damals nach einer Legislaturperiode aus dem Bremer Landtag zurückzog und dann vor allem in Bürgerinitiativen aktiv war, wieder zu den aufbegehrenden Bürgern. Das Spektrum seines Engagements ist breit gefächert. Ein Grund für das Anwachsen der politikkritischen Bewegungen in Bremen, in denen eine Beteiligung an der nächsten Bürgerschaftswahl erwogen wird, sind Abholzungspläne für 130 Platanen am Weser-Deich. Die Bäume sind das bisher langwierigste Streitthema zwischen aufgebrachten Bremern und dem Senatsressort für Umwelt, Bau und Verkehr, das von dem Grünen-Politiker Joachim Lohse geführt wird. Für viele Unzufriedene wurde Lohse zum echten Feindbild.
Die Kontroverse zwischen Lohses Haus und der Initiative zur Rettung der Bäume wird auf beiden Seiten professionell als Kampagne geführt, in der alle Register gezogen werden. Längst geht es nicht mehr nur um Baumschutz, sondern zugleich um Kompetenzen und Mitspracherechte auf der Ebene der Stadtteilbeiräte. In denen sitzen auch Mitglieder aus Parteien, die nicht in der Bremer rot-grünen Regierung vertreten sind. Besonders der Stadtteilbeirat, in dessen Gebiet die bedrohten Platanen stehen, geht auf Konfrontationskurs zum Umweltressort.
Ohnehin sind Lärmschutz und Umweltverschmutzung, fehlender Wohnraum, marode Infrastruktur und mangelnder Naturschutz für einen nicht geringen Teil des Wahlvolkes wichtige Themen - und damit für den Wahlkampf relevant. Was Dinné vorschwebt, ist ein erneuter Aufbruch der vielen Unzufriedenen aus verschiedenen Initiativen und Gruppen, die sich zum großen Teil im Natur- und Lärmschutz sowie im Baubereich und in der Friedensbewegung engagieren und die sich von keiner der heutigen Bremer Parteien gut vertreten sehen.
Der 82-Jährige hofft aufgrund seiner Erfahrung aus den 1970er Jahren, dass erneut eine freie Liste in den Bremer Landtag einzieht. Und er attestiert den heutigen Grünen dieselben SPD-Fehler, die damals zur Gründung der BGL führten: Sturheit, fehlende Dialogbereitschaft, Verweigerung von Konzessionen an kritische Bürger. Der erfahrene Kämpe Dinné geht sogar soweit, öffentlich zu äußern, er schäme sich, die Bremer Grünen mitgegründet zu haben.
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