Mängel in Gottes Schöpfungsplan

Wissenschaftler führen das biologische Szenarium der Genesis ad absurdum

Am Ostersonntag wird Papst Benedikt XVI. auf dem Petersplatz in Rom traditionell den Segen »Urbi et Orbi« spenden. Schon seit Jahren nutzt die katholische Kirche dieses Massenspektakel, um sich in der Öffentlichkeit als moderne und weltoffene Organisation zu präsentieren. Vorbei und vergessen scheinen die Zeiten, da die römische Inquisition einen Giordano Bruno auf dem Scheiterhaufen verbrennen ließ oder einen Galileo Galilei zwang, der kopernikanischen Lehre abzuschwören. Denn wer nicht vernunftgemäß handele, handele Gott zuwider, hatte Benedikt vor einem halben Jahr in seiner berühmten »Anti-Islam«-Vorlesung an der Universität Regensburg erklärt und damit scharf den sogenannten Kreationisten widersprochen, die an der wortgenauen Gültigkeit des biblischen Schöpfungsberichts festhalten. Nur leider steht dieses päpstliche Plädoyer für mehr Vernunft auf recht schwachen Füßen. Denn in seiner ersten Enzyklika vom 25. Dezember 2005, die den schönen Titel trägt: »Deus caritas est« (Gott ist die Liebe), redet der deutsche Papst selbst dem Kreationismus das Wort. So hält er nicht nur die göttliche Erschaffung Adams für eine unbezweifelbare Tatsache, sondern ist auch überzeugt, dass Eva von Gott aus Adams Rippe gebildet wurde. Seitdem seien Mann und Frau erotisch füreinander bestimmt, so Benedikt weiter, allerdings dürfe sich dieser Eros nur innerhalb einer monogamen Ehe entfalten. Für treue Katholiken ist das Urteil des Papstes natürlich heilig. Dennoch könnte sich der eine oder andere irritiert fragen: Aber was ist mit Darwin? Immerhin hat Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. die biologische Evolutionstheorie schon 1996 in ihren Grundzügen anerkannt, wie übrigens alle Erkenntnisse der modernen Wissenschaft, die sich nicht unmittelbar auf den Menschen als Seelenwesen beziehen. Und solange man diese Grenze respektiere, bekräftigt Benedikt, gebe es zwischen Wissenschaft und Religion keine unüberbrückbare Kluft, sei die Bibel mit den Erkenntnissen der Naturforschung durchaus kompatibel. Blicken wir also auf den Anfang der Schöpfungsgeschichte, als es weder Adam noch Eva gab. Nachdem Gott Himmel und Erde gleichsam aus dem Nichts erschaffen hatte, sprach er am ersten Tag: »Es werde Licht.« Und es wurde Licht sowie Tag und Nacht. Am zweiten Tag regelte Gott das Wasserproblem, am dritten ließ er Pflanzen und Bäume sprießen. Spätestens an dieser Stelle sollte der geneigte Leser sich allerdings fragen: Wie kann die Erde erleuchtet sein, wie kann es Nacht und Tag werden, und wie können Pflanzen und Bäume gedeihen, wenn gar keine Sonne da ist? Denn die hat Gott bekanntlich erst am vierten Tag erschaffen! Gleichwohl glauben allein in den USA rund 70 Prozent aller Erwachsenen, dass die Bibel die Entstehung der Welt korrekt beschreibe. Aber auch in den christlichen Kirchen ist ein solcher Glaube durchaus verbreitet, obwohl man einräumt, dass der Schöpfungsbericht vor allem ein großartiges Bild sei, welches der Zeit entsprechend wissenschaftlich gedeutet werden müsse. Großartig ist dieses Bild zweifellos, aber mit moderner Wissenschaft hat es nicht das Geringste zu tun. Zumal der biblische Text auch rein logisch gesehen vieles zu wünschen übrig lässt, wie namentlich die Geschichte von Adam belegt. »Erschuf Gott diesen eigentlich mit einem Zeugungsorgan?«, fragt der Religionskritiker Friedhelm Schenitz. Immerhin war, als Adam auf der Erde erschien, noch gar keine Eva geplant. Und dass der Allmächtige den Mann erst nach der Erschaffung der Frau komplettiert hat, ist kaum anzunehmen. Denn Adam war ja ausdrücklich nach dem Bilde Gottes geformt worden, und von nachträglichen Korrekturen erzählt die Bibel nichts. Die moderne Evolutionsbiologie schließlich macht die Verwirrung komplett. Danach nämlich sind Adam und Eva sich gar nicht begegnet, weder im Paradies noch sonstwo. Zwar stammen beide aus Afrika, doch zumindest der genetische Adam lebte rund 84 000 Jahre nach der genetischen Eva. Wie ist das zu verstehen? Als Peter Underhill und seine Kollegen von der Stanford University vor einigen Jahren das Y-Chromosom von 1026 Männern aus 22 Regionen untersuchten, stellten sie fest, dass die heute weltweit verbreitete Variante dieses Chromosoms erstmals vor rund 59 000 Jahren im männlichen Erbgut auftauchte. Dagegen lässt sich die weibliche Stammlinie des Menschen bis auf eine Frau zurückführen, die vor etwa 143 000 Jahren auf dem schwarzen Kontinent lebte. Das wiederum folgt aus einer Untersuchung der sogenannten Mitochondrien-DNA, die normalerweise nur von der Mutter an die Tochter weitergegeben wird. Summa summarum heißt das: In der Evolution hat sich die moderne Variante der Mitochondrien-DNA viel früher durchgesetzt als die moderne Variante des Y-Chromosoms. Wie aber sah die Urmutter aller Menschen aus? Anders als die Bilder der Christenheit suggerieren, war Eva nicht blond und hellhäutig. Sie besaß mit Sicherheit eine dunkle Haut, hatte schwarze Haare, volle Lippen, eine flache Nase und tief liegende Augenbrauen. Und sie verbrachte ihre Abende nicht allein am Lagerfeuer, wie man sich denken kann. Schon vor 143 000 Jahren liebte Eva die Sexualität. Ihr Partner allerdings, sofern es nur einer war, verfügte über ein Y-Chromosom, welches in den folgenden 84 000 Jahren vom Y-Chromosom jenes Mannes verdrängt wurde, den Underhill und seine Kollegen als »Adam« bezeichnen. In der Bibel steht geschrieben, dass Eva drei Söhne hatte: Kain, Abel und Seth. Stützt man sich indes auf molekulargenetische Studien, dann brachte sie mindestens 18 Töchter zur Welt (Zahl der Söhne dagegen unbekannt). Und, was dem Ganzen die Krone aufsetzt: Eva war auch die Urmutter von Adam, der genetisch betrachtet viele Generationen später auf der Erde lebte. Aber er lebte noch immer in Afrika, wo die Wiege der Menschheit stand. Erst vor rund 50 000 Jahren verließen kleine Gruppen des Homo sapiens den schwarzen Kontinen...

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