Union und FDP verhelfen AfD zur Mehrheit
Rechte Partei führt drei Bundestagsausschüsse
Berlin. Erstmals übernehmen AfD-Abgeordnete den Vorsitz in drei Bundestagsausschüssen. Sie erhielten am Mittwoch in den Gremien für Haushalt, Recht und Tourismus die nötige Mehrheit. Normalerweise müssen sich die Vorsitzenden nicht zur Wahl stellen, sondern sie werden bestimmt. Da jedoch mehrere Ausschussmitglieder Widerspruch gegen die Nominierten anmeldeten, wurden Wahlen notwendig. Der AfD-Abgeordnete Peter Boehringer wurde in offener Wahl mit den Stimmen seiner eigenen Partei und der FDP zum Vorsitzenden des Haushaltsausschusses gewählt. Die vier Vertreter der Linkspartei stimmten dagegen. Union, Grüne und SPD enthielten sich.
Der Unionshaushälter Eckhardt Rehberg (CDU) sah »mehr als ein Fragezeichen hinter der Person Boehringer«. »Er wird jetzt beweisen müssen, dass er mit der nötigen Zurückhaltung und Neutralität diesen Ausschuss wird leiten können«, sagte er. »Es gab einen Widerspruch von allen Fraktionen mit Ausnahme der AfD.« Die FDP betonte, sie habe nur »aus formalen Gründen« zugestimmt. Die Grünen erklärten, für »Hass, Hetze und Diskriminierung« sei im Haushaltsausschuss kein Raum.
Der Rechtsausschuss wählte den AfD-Politiker Stephan Brandner zu seinem Vorsitzenden. Der Jurist war im Thüringer Landtag wegen verbaler Entgleisungen dutzendfach zur Ordnung gerufen worden. Nach Angaben von Teilnehmern der Sitzung gab es 19 Ja-Stimmen und 12 Nein-Stimmen. Weitere 12 Ausschussmitglieder enthielten sich.
Im Ausschuss für Tourismus stimmten Union und FDP für den AfD-Mann Sebastian Münzenmaier, die LINKE mit Nein. SPD und Grüne enthielten sich. Münzenmeier war zuletzt vom FC Bundestag, einem Hobbykicker-Verein der Abgeordneten, als Mitglied abgelehnt worden. Grund war eine Verurteilung zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung bei einem Angriff von Hooligans auf gegnerische Fußballfans. Der Abgeordnete bestreitet den Vorfall und hat Berufung eingelegt.
Der CSU-Parlamentarier Paul Lehrieder, der im Tourismusausschuss sitzt, erklärte, die Aufteilung der Ausschussvorsitze unter den Parteien entspreche den demokratischen Gepflogenheiten. »Die AfD zum Märtyrer zu machen, ist nicht unser Ansatz.«
Niema Movassat aus dem Rechtsausschuss sieht das anders. »Wir haben als LINKE Widerspruch gegen Herrn Brandner eingelegt, weil wir ihn für charakterlich ungeeignet halten, dieses wichtige Amt auszuüben«, sagte er. Brandner sei im Thüringer Landtag mit sexistischen und rassistischen Aussagen aufgefallen.
Vorsitzende von Bundestagsausschüssen müssen die Sitzungen der Mitglieder vorbereiten, einberufen und leiten. Sie können dabei nicht eigenständig vom vorgegebenen Zeitplan abweichen. Ihr Handlungsspielraum ist auch inhaltlich begrenzt: Gegen den Willen der Mitglieder können sie keine eigenen Prioritäten setzen oder politischen Vorstellungen durchdrücken. In der Regel bemühen sie sich daher, die Sitzungen überparteilich und objektiv zu gestalten. Sie gelten eher als Moderatoren, die Kompromisse finden und Debatten steuern sollen.
Am Donnerstag wählt der Bundestag erneut ein Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das für die Geheimdienste zuständig ist. Aus der AfD hieß es, die Fraktion werde erneut den früheren Berliner Oberstaatsanwalt Roman Reusch aufstellen. In einer ersten Wahl hatte Reusch nur 210 Stimmen erhalten und damit die erforderliche Zahl von 355 Stimmen verfehlt. dpa/nd
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