Schreiben und Leben im Exil

Rasha Habbal erhält neues Autoren-Stipendium

  • Nada Weigelt
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie wollte, dass ihre Kinder ohne Bomben, Krieg und Gewalt aufwachsen. Deshalb floh Rasha Habbal vor drei Jahren unter Lebensgefahr aus ihrer syrischen Heimat. Jetzt ist die 35-jährige Autorin die erste, die das Stipendium «Torschreiber am Pariser Platz» für Schriftsteller im Exil« bekommt. »Das Brandenburger Tor ist das Symbol für die Freiheit schlechthin«, sagte Vorstand Pascal Decker von der Stiftung Brandenburger Tor am Donnerstag bei einem Vorstellungsabend. Gemeinsam mit der Allianz-Kulturstiftung und dem Literarischen Colloquium Berlin hat seine Stiftung das Programm ins Leben gerufen. Die Initiatoren wollen damit auch an das Schicksal der verfolgten deutschen Schriftsteller in der NS-Zeit erinnern, die in anderen Ländern Aufnahme gefunden haben. »Heute soll Berlin ein Ort der Zuflucht und der Sicherheit für bedrohte und verfolgte Schriftsteller sein«, sagt Decker.

Rasha Habbals Heimatstadt Hama war als ein Zentrum der Proteste im syrischen Bürgerkrieg besonders umkämpft. Als die gelernte Wirtschaftswissenschaftlerin 2015 mit ihrem jüngeren Sohn heimlich flieht, will sie ihren Mann und den älteren Sohn möglichst bald in ein sicheres Zufluchtsland nachholen. Aber alles kommt anders. Zwei Monate dauert allein ihre Reise. Teilweise kommen sie und ihr siebenjähriger Sohn nur in Nachtmärschen weiter, in Ungarn werden sie verhaftet und landen schließlich in Deutschland. Doch Habbal bekommt nur eine einjährige Duldung. Wegen der jetzt in den Koalitionsgesprächen so umkämpften Aussetzung des Familiennachzugs darf die andere Hälfte der Familie nicht folgen.

Vater und Sohn machen sich ihrerseits auf die Flucht.

Habbal landet in Trier, schläft zunächst in einem Camp unter freiem Himmel, lange in einem Zelt und dann mit vier anderen Flüchtlingsfamilien in einer Wohnung, bis sie schließlich eine eigene Bleibe findet. Auch auf den Deutschkurs muss sie länger als ein Jahr warten. »Dabei wollten wir so gern lernen und uns einbringen, aber alles lag brach«, sagt sie im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Um das Stipendium hat sich die Autorin mit einem Text beworben, der von ihrer Abreise aus Syrien erzählt. »Am frühen Morgen jenes Tages wusste ich noch nicht, dass mein Leben die Tür hinter sich geschlossen und den Schlüssel unwiederbringlich verschluckt hatte«, heißt es darin.

Mehr als drei Dutzend Exilautoren haben sich um das neue Stipendium beworben. Die Jury hielt Habbals Romanprojekt für besonders vielversprechend. Mit 2000 Euro im Monat kann sie sich jetzt ein halbes Jahr ganz der Arbeit widmen - im April und Mai zunächst im Literarischen Colloquium mit seinem Gästehaus am Wannsee, die restlichen vier Monate »daheim« in Trier. Habbal schreibt auf Arabisch und ist bisher vor allem als Lyrikerin bekannt. Ein breit angelegter Roman über die Lebensbedingungen im deutschen Exil ist deshalb auch formal für sie Neuland. »Zum ersten Mal habe ich dadurch die Chance, auch mal innezuhalten und zu schauen, was durch all diese Erfahrungen eigentlich mit mir selbst passiert ist.« dpa/nd

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