Polens Präsident unterzeichnet umstrittenes Gesetz

Andrzej Dudas Entscheidung verschärft Spannungen zwischen Polen und Israel

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Warschau. Trotz internationaler Proteste hat Polens Präsident Andrzej Duda am Dienstag angekündigt, das umstrittene »Holocaust-Gesetz« zu unterschreiben. Er werde es jedoch danach dem Verfassungsgericht zur Prüfung vorlegen, erklärte Duda in Warschau. Das Vorhaben hat eine diplomatische Krise mit Israel ausgelöst und belastet nun auch das Verhältnis zwischen Polen und der Ukraine.

Das Gesetz sieht Geldstrafen oder bis zu drei Jahre Haft vor, wenn jemand unter anderem »öffentlich und entgegen den Fakten« dem polnischen Volk oder Staat die Verantwortung oder Mitverantwortung für vom »Dritten Reich« begangene Nazi-Verbrechen zuschreibt. Dies gilt auch für andere Verbrechen gegen den Frieden oder die Menschheit oder für Kriegsverbrechen.

Israelische Politiker und Historiker befürchten, das Gesetz könnte missbraucht werden, um Verantwortung von Polen bei Verbrechen an Juden zu leugnen. Es gefährde auch die freie Meinungsäußerung. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu erklärte am Montag: »Wir verlangen von anderen Ländern, dass sie die Wahrheit über den Holocaust sagen, das verlangen wir auch von Polen.«

Das Außenministerium in Jerusalem reagierte verhalten auf Dudas Ankündigung: »Israel ist weiterhin in Kontakt mit den polnischen Behörden und erhebt seine Einwände gegen den polnischen Gesetzesentwurf.« Man hoffe darauf, dass beide Seiten sich während der Prüfung durch das Verfassungsgericht auf Änderungen des Gesetzes einigen können. »Israel und Polen haben eine gemeinsame Verantwortung, die Geschichte des Holocausts zu erforschen und zu bewahren.«

Der israelische Erziehungsminister Naftali Bennett hatte am Montag sehr ungehalten reagiert, nachdem Polen eine von ihm angekündigte Reise abgesagt hatte. »Die polnische Regierung hat meinen Besuch abgesagt, weil ich die Verbrechen ihres Volkes erwähnt habe«, sagte er. Zuvor hatte es noch geheißen, Teams beider Seiten sollten einen bilateralen Dialog über historische und juristische Fragen aufnehmen.

Duda zeigte Verständnis für die Kritik der Israelis und betonte, er nehme diese sehr ernst. Das Verfassungsgericht solle überprüfen, ob das Gesetz die freie Meinungsäußerung gefährde. Während der Prüfung gelten die neuen Vorschriften aber schon. Zugleich versuchte Duda, die Zweifel an dem Gesetz auszuräumen, indem er darauf hinwies, dass künstlerische und wissenschaftliche Tätigkeiten ausdrücklich von den neuen Vorschriften ausgenommen sind.

Mehrfach betonte er, dass Polen sich nicht als Staat am Holocaust beteiligt hat und auch gar nicht konnte, da während der Besatzung durch Nazi-Deutschland kein polnischer Staat existierte. Er erinnerte an Polen, die Juden gerettet haben, räumte aber ein, dass es auch Kollaborateure gab, die Juden an die Besatzer ausgeliefert haben.

In Polen gebe es keinen Platz für Antisemitismus. »Gute Beziehungen zu Israel liegen mir sehr am Herzen«, sagte der Präsident. Aber Polen, das fast sechs Millionen seiner Bürger im Zweiten Weltkrieg verloren hat, habe das Recht, sich vor falschen Unterstellungen zu schützen. Deshalb werde er das Gesetz unterschreiben.

Polens Opposition kritisierte die Entscheidung des Präsidenten. Slawomir Neumann, der Chef der konservativ-liberalen PO-Fraktion, warnte, dass diese die diplomatische Krise mit Israel verschärfe.

Das polnische Justizministerium richtete im Internet eine Seite mit dem Domainnamen germandeathcampsnotpolish.com ein, auf der erklärt wird, warum das Gesetz aus Sicht der Regierung in Warschau nötig ist. »Wir können nicht zulassen, dass Polen der Sünden anderer bezichtigt wird«, heißt es da. Auf der Seite gibt es unter anderem eine Karte der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager im besetzten Polen. Auch kann man dort den Text des Gesetzes auf Polnisch und Englisch herunterladen.

Aus einer Umfrage der konservativen Tageszeitung »Rzeczpospolita« geht hervor, dass 39 Prozent der Polen gegen das Gesetz in seiner jetzigen Form sind, 36 Prozent sind dafür.

Das Gesetz belastet auch die Beziehungen zwischen Polen und der Ukraine. Das ukrainische Parlament verabschiedete am Dienstag eine Stellungnahme, in der es das Gesetz verurteilt und an den Präsidenten appelliert, es nicht zu unterschreiben. Das Gesetz sieht auch Strafen für die Leugnung der Verbrechen ukrainischer Nationalisten vor. »Der offene Dialog, freie Austausch von Ideen und die akademische Freiheit sind von strafrechtlicher Verfolgung bedroht«, hieß es in einer Erklärung am Dienstag. Man kritisiere, dass mit der Novelle die ukrainischen Unabhängigkeitsbestrebungen mit den Verbrechen der Nationalsozialisten und Kommunisten gleichgesetzt würden. Die Parlamentarier in Kiew forderten, dass der polnische Präsident Duda sein Vetorecht nutzen solle. Agenturen/nd
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