Der Fisch war nicht mehr frisch
Verbraucherzentralen testeten den Service von Online-Lebensmittelhändlern
Die Mutter hat eine Grippe und möchte bei der Eiseskälte draußen so krank nicht vor die Tür gehen. Der minderjährige Sohn kann die schweren Einkaufstaschen allein nicht schleppen. Aber er kann sich an den Computer setzen und im Internet bei AmazonFresh die für das Wochenende benötigten Lebensmittel bestellen und obendrein zwei große Packungen Papiertaschentücher. Das macht er. Zweieinhalb Stunden später steht der Kurierfahrer vor der Tür und übergibt graue Papiertüten mit den gewünschten Artikeln. Der Preis der Lieferung wird vom Konto abgebucht.
Lebensmittelhandel dieser Art nimmt zu. Auf dem Lande könnte er eine Alternative für Senioren sein, die in einem Dorf leben, in dem kaum ein Bus fährt, und die es nicht mehr schaffen, mit dem Auto zur Kaufhalle in der nächstgelegenen Stadt zu fahren. Der Service könnte auch Menschen helfen, die beruflich so stark eingespannt sind, dass sie während der üblichen Ladenöffnungszeiten nicht zum Einkaufen kommen.
Doch der relativ neue Anbieter AmazonFresh bedient gerade einmal Teile von Berlin und Potsdam. Schon die Randgebiete der Bundeshauptstadt liegen noch außerhalb der Reichweite. Lebensmittelketten wie Kaufland, real und Edeka glänzen in Berlin mit einem umfassenden Lieferservice, der aber in Brandenburg nur vereinzelt funktioniert. Der zur Deutschen Post gehörende Onlinesupermarkt AllyouneedFresh mit seinem Sortiment von mehr als 20 000 Artikeln - nach eigenen Angaben der größte seiner Art in der Bundesrepublik - ist allerdings flächendeckend verfügbar, ebenso wie myTime und Lebensmittel.de. Das alles ergibt sich aus einem am Dienstag veröffentlichten Marktcheck der Verbraucherzentralen beider Bundesländer. Er ist nicht repräsentativ, aber doch aussagekräftig. Für den Test wurde im Sommer 2017 für elf Haushalte je ein Paket mit 26 Produkten bestellt, darunter Tomaten, Salat, Milch, Joghurt, Eier, Schweinefleisch, frischer Fisch und tiefgekühlte Himbeeren. Fünf Adressen in Berlin wurden ausgewählt und sechs in Potsdam, Cottbus, Brandenburg/Havel und Doberlug-Kirchhain sowie in Könkendorf in der Prignitz und im havelländischen Rhinsmühlen.
Die Verbraucherschützer begutachteten Qualität und Zustand der Lebensmittel, die überwiegend gut waren. In einem Fall allerdings traf die Sendung mit fünf Tagen Verspätung ein. Der frische Fisch war nicht mehr zum Verzehr geeignet, das Mindesthaltbarkeitsdatum bereits überschritten. Ein Händler transportierte die Lebensmittel zwar löblicherweise fast verpackungsfrei in Mehrwegkisten, jedoch ohne Kühlung. Die tiefgekühlte Ware überschritt die vorgeschriebenen 18 Grad minus deutlich, bei einem Erzeugnis lag die Temperatur sogar zwei Grad über dem Gefrierpunkt.
»Händler müssen geeignetere Verpackungen für empfindliche Lebensmittel finden und ihre Transportunternehmen für die Beförderung von Lebensmitteln stärker sensibilisieren«, findet Britta Schautz von der Verbraucherzentrale Berlin. Ihre Kollegen prüften beispielsweise auch, wie übersichtlich die Internetseiten gestaltet sind und wie es mit dem Widerrufsrecht aussieht. Schnell verderbliche Waren, bei denen das Verfallsdatum bald abgelaufen ist, dürfen im Fall der Fälle genauso wenig zurückgegeben werden wie Waren, bei denen die Hygieneversiegelung entfernt ist. Aber darüber müssen die Onlinehändler ihre Kunden informieren.
Das Fazit der Verbraucherschützer: Anders als in Berlin und Potsdam, wo die Lebensmittel mit speziellen Kurierdiensten ausgefahren werden, konnte in ländlichen Gegenden nur eine Zustellung per Paketservice ausgewählt werden. »Das bedeutet zum Teil sehr große Mengen an Verpackungsmüll und zudem lange Lieferzeitfenster von zehn Stunden, in denen jemand zu Hause auf den Paketdienst warten muss«, steht im Testbericht. Bedauernd heißt es: »Die Anbieter verstehen es nicht, sich neue Kunden im ländlichen Raum zu erschließen - obwohl gerade hier viel Potenzial liegt.« Seite 9
verbraucherzentrale- brandenburg.de/node/23133
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