Bremens Ruf und die Kaffeefahrten
Warnliste aus Hessen wird zum Politikum an der Weser
Es gibt einige Dinge, die Bremens Ruf schaden - zum Beispiel die leeren Kassen, die zu vollen Klassen, die hohe Arbeitslosigkeit. Zum Teil bescheren sie der bremischen Bevölkerung sogar Mitleid oder Unverständnis für das Ausharren in der Hansestadt an der Weser. Doch aus der Ferne kommt es garstiger: Hunderte Kilometer von Bremen entfernt veröffentlichten die Behörden im hessischen Dill-Lahn-Kreis eine Warnliste für Kunden von sogenannten Kaffeefahrten. In dieser Aufzählung schwarzer Schafe, die ihrer Kundschaft das Geld mit dubiosen Methoden und Angeboten sowie einer großen Portion Überredungskunst aus der Tasche ziehen, findet sich der Hinweis, dass insbesondere bei Anbietern mit Bremer Adresse Vorsicht geboten sei.
Das wollte die hansestädtische SPD-Fraktion, Seniorpartner in der rot-grünen Regierung Bremens, nicht auf sich sitzen lassen. Sie fragte den Senat nach der Korrektheit besagter Liste. Der Senat präsentierte eine Antwort im Zick-Zack-Modus. Zunächst wird darauf hingewiesen, dass es sehr wohl Firmen aus der Kaffeefahrten-Branche mit Bremer Postfach-Adresse gebe und dass sich darunter auch welche befinden, vor denen im Süden gewarnt werde. Auch seien die Praktiken, wie etwa der Verkauf von stark überteuerten Nahrungsergänzungsmitteln, bekannt. Zum Teil wurden Kunden fast 10 000 Euro für angeblich die Gesundheit fördernde Mittel abgeknöpft.
Anschließend verweist der Senat jedoch darauf, dass die meisten dieser Firmen eigentlich im Bremer Umland, also Niedersachsen ansässig seien, aber Bremer Postfachadressen hätten. Es habe bereits häufiger diesbezügliche Ermittlungsersuchen aus Niedersachsen an die Bremer Polizei gegeben. Aber auch aus dem übrigen Bundesgebiet gab es polizeiliche Anfragen, so der Bremer Senat. Die Zahl sei rückläufig, wird dann noch erklärt. Dazu allerdings gebe es keine belastbaren statistischen Erkenntnisse.
Laut Senatsauskunft sind die Organisatoren von Kaffeefahrten, die über einen Wohnsitz in Bremen oder im direkten Umland verfügen, schon häufiger »polizeilich in Erscheinung getreten und den beteiligten Behörden bekannt«. Auf die Frage, ob und welche Maßnahmen in Bremen zur Eindämmung des ausbeuterischen Geschäftsmodells unternommen wurden, kommt dennoch ein Allgemeinplatz als Antwort: Bei entsprechenden Erkenntnissen oder Hinweisen würden die Gewerbebehörde oder die Polizei Kontrollen durchführen und eventuell Gewerbe-Untersagungen aussprechen. Aber aktuelle Erkenntnisse lägen auch dazu nicht vor.
Tatsächlich ist der Kontrolldruck eben durch Polizei und Gewerbeaufsicht die einzige praktische Empfehlung des Senats gegen die Abzocker in der Branche. Ansonsten wird auf Abwarten und Beobachten gesetzt.
Mitte Dezember des vergangenen Jahres hatte der Bundesrat beschlossen, ein Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes bei Verkaufsveranstaltungen im Reisegewerbe einzubringen. Sollten sich hierdurch keine Verbesserungen für die Kaffeefahrt-Kundschaft ergeben, müssten weitere Anstrengungen für eine Gesetzgebung im Sinne des Verbraucherschutzes unternommen werden, so der Bremer Senat.
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