- Politik
- Ziviler Ungehorsam
1200 Euro Strafe wegen Protest gegen die AfD
In Düsseldorf fordern die Behörden hohe Bußgelder von Aktivisten, die gegen die AfD protestiert haben.
Zeigt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf besonderen Verfolgungseifer gegen Antifaschisten, die gegen die AfD protestieren? Auch diese Frage wurde heute vor dem Amtsgericht in Düsseldorf verhandelt. Zumindest, wenn man den politischen Kontext betrachtet. 1200 Euro muss ein Aktivist zahlen, weil er im vergangenen April gegen den Wahlkampfauftakt der Rechtspopulisten demonstriert hatte. Das Bündnis »Düsseldorf stellt sich quer« protestierte vor dem Eingang, auch Johannes Dörrenbächer setzte sich zusammen mit zehn anderen Aktivisten auf den Boden. Als die Polizei räumte, ließ er sich wegtragen. Dann kam ein Strafbefehl wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. 2500 Euro Strafe sollte der Sozialarbeiter zahlen.
Das Bündnis »Düsseldorf stellt sich quer« organisierte eine Solidaritätskampagne. »Sitzkissen kaufen: 40 Euro, den Rechtsruck verhindern: unbezahlbar« warben die Antifaschisten. Prominente Bürger der Stadt Düsseldorf beteiligten sich mit »Solidaritäts-Checks«. Einer der Spender war Soziologie-Professor Reinhold Knopp. Auf einer Veranstaltung erklärte der Akademiker der Hochschule Düsseldorf gegenüber der »Neue Düsseldorfer Online Zeitung«: »Ziviler Ungehorsam heißt einfach, in einer Gesellschaft mit Mitteln der Aktion, des Protestes auch an Grenzen zu gehen. Und genau so, wie eine Gesellschaft eine freie Presse braucht, braucht sie auch den zivilen Ungehorsam, sonst ist Demokratie gefährdet.«
Am Dienstag hat das Landgericht das Verfahren nun eingestellt, allerdings gegen die Zahlung von 1200 Euro an ein Kinderhospiz. Für Anwalt Jasper Prigge bleibt ein fader Nachgeschmack. »Die Einstellung ist erst einmal gut«, sagt er gegenüber »nd«. Doch die Höhe der Strafe sei problematisch, weil sein Mandant sich »rein passiv« verhalten habe. Offenbar mache der »gesellschaftliche Trend« eines verstärkten Vorgehens gegen linke Bewegungen nach dem G20 Gipfel »auch vor der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft nicht halt«. Hohe Geldstrafen für friedlichen Protest, »das gab es in Düsseldorf so früher nicht«, sagt Prigge.
Dörrenbächer selbst vermutet »System« hinter dem Vorgehen der Staatsanwaltschaft. Für ihn könnte der parlamentarische Rechtsruck im Land ein Grund sein. »Nach der Landtagswahl und nach der Bundestagswahl ging es auf einmal sehr schnell mit den Prozessterminen«, sagt der Sozialarbeiter »nd«.
»Unser ziviler Ungehorsam in Form von Sitzblockaden bleibt weiterhin eine straffreie Handlung«, freut sich das Bündnis trotzdem über die Entscheidung des Gerichts. Sitzblockaden seien ein »legitimes Mittel« gegen Rassismus. Die Verfahrenseinstellung sei auch eine Folge der »großen Solidarität der Düsseldorfer Stadtgesellschaft«, heißt es in einer Erklärung. Man wolle nun schnell das Geld auftreiben und auch weiterhin »niemand alleine lassen«, der wegen Beteiligung an Protestaktionen ins Visier der Justiz gerate.
Das ist nötig, denn Dörrenbächer ist nur einer von mehreren Aktivisten aus der Stadt, die wegen Protest gegen die AfD vor Gericht stehen. Ein ehemaliger Lehrer, der sich mit einem anderen Aktiven und einem Schild »Die AfD ist in Düsseldorf nicht willkommen« zu einem Zwei-Mann-Protest vor einer AfD-Veranstaltung aufgestellt hatte, soll wegen einer nicht angemeldeten Demonstration 1.500 Euro zahlen. Zwei Aktivisten von »Düsseldorf stellt sich quer« sehen sich sogar mit noch höheren Geldstrafen konfrontiert. Sie sollen 2016 beim Protest gegen eine Demonstration der Republikaner eine lückenhafte Polizeikette ignoriert haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Versammlungsstörung und Landfriedensbruch vor – dafür sollen sie insgesamt 8.800 Euro zahlen.
Auch hier rechnet Anwalt Prigge mit einem anderen Prozessausgang als von der Justiz gewünscht. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft jedenfalls ließen »viele Fragen offen« und würden die Vorwürfe nicht belegen. Im Fall des ehemaligen Lehrers Kaspar Michels entbehre die Anklage sogar »jeder Grundlage, weil er versucht hat, alles richtig zu machen«. Michels hatte den Zwei-Mann-Protest auf Aufforderung der Polizei sogar als Versammlung ordentlich angemeldet.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!