Sauger, Kleber, Moos und Steine
Der Kampf gegen miese Luft in vielen großen Städten nimmt manchmal fast bizarre Züge an
Weniger Autos, zumindest aber weniger Verbrenner auf den Straßen - Deutschlands Städte sind sich einig, dass dies die einfachste Lösung zur Verbesserung der Luft wäre. Fahrverbote für des Deutschen liebstes Kind scheuen sie allerdings. Fast alle betroffenen Städte kündigten inzwischen Durchfahrtsverbote, Tempolimits, mehr öffentliche Verkehrsmittel, mehr E-Mobilität, mehr Carsharing beziehungsweise mehr Radwege an. Daneben gibt es aber auch etliche Ideen, wie man bereits entstandene Schadstoffe wieder aus der Luft holen kann. Manche muten ziemlich seltsam an.
So kurvt um Deutschlands schmutzigste Straßenkreuzung, das innenstadtnahe Neckartor in Stuttgart, seit geraumer Zeit eine spezielle Kehrmaschine. Im Kampf gegen gesundheitsschädlichen Feinstaub werden mit ihr Gehwege und Fahrspuren gespült und abgesaugt. Ein erster Test hatte ergeben, dass diese Art der Straßenreinigung positive Effekte auf die Feinstaubbelastung haben kann, heißt es bei der Stadt. Grobstaub wird weggeschafft, bevor er klein gemahlen als Feinstaub durch die Luft wirbelt. Im Sommer soll feststehen, was das Ganze wirklich bringt.
Baden-Württembergs Hauptstadt hatte es 2010 übrigens bereits mit einem Kleberstoff versucht - einer Lösung aus Calcium- und Magnesiumacetat (CMA). Für eine Weile war man sich sicher, dass diese Lösung, die eigentlich als Taumittel eingesetzt wird, auch in der Lage ist, die feinsten Partikelchen zu binden und zu Boden zu bringen. »Das hat nichts gebracht«, sagt der ehemalige Stadtklimatologe Ulrich Reuter heute. Man habe diese Idee nicht weiter verfolgt.
Versuche mit großen moosbewachsenen Ständern, so genannten City-Trees, etwa gibt es in etlichen deutschen Städten. In Stuttgart wird die Filterwirkung der feingliedrigen Pflanzen wissenschaftlich untersucht. Ergebnisse wurden für das Frühjahr versprochen. Moose sollen in der Lage sein, Teile des Feinstaubs festzuhalten, andere sogar in Pflanzenmasse umzuwandeln. An einer viel befahrenen vierspurigen Straße unweit des Neckartors steht eine 300 Quadratmeter große und mit Moosen behangene Metallwand. Fast 560 000 Euro lassen sich Stadt und Land die Erforschung kosten. Einmal musste ein Drittel des Mooses bereits ausgetauscht werden, weil es abgestorben war. Ende April wird es abgehängt. Dann sollen auch Ergebnisse vorliegen. Der Test sei »ergebnisoffen« geführt worden, hieß es.
Jede Menge Tüftelei steckt auch im »Feinstaubfresser«, der seit einiger Zeit durch Stuttgart kurvt. Ein Filterspezialist aus dem nahen Ludwigsburg hat seine Ideen gegen die Kleinstpartikel auf die Straße gebracht. Auf dem Dach sitzt ein dicker Feinstaubfilter, auch die Luft im Innenraum wird besonders gefiltert. Zum Einsatz kommt auch ein Bremsstaubfilter. Feinstaub stammt zu einem großem Teil nicht aus dem Auspuff, sondern auch aus dem Bremsen- oder Reifenabrieb.
Auch Steinplatten sollen in der Lage sein, die Luft zu reinigen. Auf dem Stuttgarter Kronprinzplatz nahe der Einkaufsmeile Königstraße wurden beschichtete Platten verlegt, die angeblich Stickoxide binden, wie die Stadt mitteilte. Die Platten halten die Luftschadstoffe so lange fest, bis der nächste Regen sie in die Kanalisation schwemmt. Experimentell geklärt sei die entsprechende Wirkungsweise von Titanoxid. Ob das aber vor Ort funktioniert, steht in den Sternen.
In Bottrop in Nordrhein-Westfalen zumindest ist man nach einem Modellversuch überzeugt, dass es geht. Beschichtete Platten sind nach Angaben der Stadt Stuttgart acht Euro teurer als normale Platten. Übrigens werden such spezielle Fassadenfarben eingesetzt: Sie sollen gesundheitsschädliche Stickoxide durch Sonneneinstrahlung in unschädliche Nitrate verwandeln können. dpa/nd
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