Angeklagte in TKP-Prozess freigelassen

129b-Haftbefehl gegen vier Beschuldigte aufgehoben

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.

Für Susanne Kaiser war der 19. Februar ein Freudentag. Schließlich konnte die Nürnberger Ärztin ihre Freundin und Kollegin Dilay Banu Büyükavci wieder in die Arme schließen. Büyükavci war Ende April 2015 von einer schwer bewaffneten Anti-Terror-Einheit festgenommen worden, als sie sich nach ihrer Arbeit an einer Nürnberger Klinik mit Kolleg_innen getroffen hatte. Seitdem saß die 46-Jährige im Hochsicherheitstrakt München-Stadelheim in Untersuchungshaft.

Mit Büyükavci sind neun weitere türkische Linke verhaftet worden, darunter der Lebensgefährte der Ärztin. Sie alle werden beschuldigt, die 1972 gegründete Kommunistische Partei der Türkei/Marxistisch Leninistisch (TKP/ML) unterstützt zu haben. Diese kämpft in der Türkei auch mit Waffengewalt gegen das türkische Militär.

Laut eigener Aussage haben die Angeklagten nie eine Waffe in der Hand gehabt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen dagegen die Organisierung von Solidaritätskonzerten und das Sammeln von Spenden für eine terroristische Organisation vor. Nur ist die inkriminierte TKP/ML in Deutschland nicht verboten. Grundlage der Anklage ist der Paragraf 129b, nach dem legale Tätigkeiten kriminalisiert werden können, wenn damit eine als terroristisch klassifizierte Organisation unterstützt worden sein soll. Das Bundesjustizministerium muss in jeden einzelnen 129b-Fall die Verfolgungsermächtigung geben.

Die Haftbefehle gegen Büyükavci und ihre drei Mitangeklagten wurden jüngst außer Vollzug gesetzt. Sie konnten unter Auflagen das Gefängnis verlassen. Büyükavcis Anwälte Yunus Ziyal und Peer Stolle werten die Freilassung als Erfolg.

Banu Büyükavci kann in der Nürnberger Klinik, an der sie vor ihrer Verhaftung angestellt war, nun weiterarbeiten. Einige ihrer Kolleg_innen hatten sie die ganze Zeit unterstützt. Dazu gehörte Susanne Kaiser. Mit einem kleinen Kreis weiterer Kolleginnen hatte sie sich für die Freilassung Büyükavcis eingesetzt. Sie schrieben unter anderem an verschiedene Landes- und Bundespolitiker. Die meisten Adressat_innen reagierten nicht einmal. Lediglich der Bund der Steuerzahler antworte mit einem Brief. Ihn hatten sie angeschrieben, um auf die Kosten des Münchner Mammutprozesses hinzuweisen. Der geht auch nach der bedingten Freilassung der vier Angeklagten in München weiter. Seit einem Jahr wird im Münchner Strafjustizzentrum verhandelt.

Erst vor Kurzen begann in Hamburg der Prozess gegen den türkischen Linken Musa Asoglu. Anfang Februar forderten auf einen Kongress in Hamburg Anwält_innen und Solidaritätsgruppen seine Freilassung. Als »Auftragsarbeit für Erdogan« bezeichnen auch die Anwälte Stolle und Ziyal das Münchner TKP-ML-Verfahren. Dieses sei nur durch eine Kooperation der deutschen und türkischen Justiz möglich.

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